2008 - komplett
ich seit der Morgendämmerung unterwegs bin, möchte ich gern Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen“, gab Pater Coll vergnügt zurück. „Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, möchte ich zu gern wissen, ob Pater Bartholomew übertrieben hat, als er die Leistungen Eurer Köchin pries.“
Katherine reagierte mit einem flüchtigen Lächeln, während sie sich abwandte, um zur Tür vorzugehen. „Ihr müsst mir gleich verraten, ob er übertrieben hat.“
An der Tür angekommen, warfen sie einen besorgten Blick auf den Hof. Nicht nur, dass der Wind unverändert stürmisch wehte, es hatte mittlerweile auch noch heftiger Schneefall eingesetzt. Unter den Schnee hatten sich winzige Eiskörnchen gemischt, von denen Rafe wusste, dass sie wie Kieselsteine auf der Haut stachen, wenn sie einem ins Gesicht geweht wurden. „Mylady, bitte gestattet mir, Euch meinen Schutz anzubieten“, sagte er.
Ohne darauf zu warten, ob sie etwas sagen würde, legte Rafe einen Arm um Katherine und hüllte sie in seinen Mantel ein, während Pater Coll vor ihnen über den Hof eilte. „Kommt, Mylady.“
Katherine spielte mit dem Gedanken, Rafes schützenden Arm abzustreifen, doch seine unerwartet schüchterne, aber dennoch entschlossene Miene ließ sie davon Abstand nehmen. Etwas war an diesem Morgen anders an ihm. Sein Auftreten in der Kapelle war sehr zurückhaltend gewesen, doch das mochte sich dadurch erklären, dass an einem Ort der Gottesverehrung ein solches Benehmen unabdingbar war.
Vielleicht hatte die Anwesenheit des Priesters seine sonst übliche Leutseligkeit verstummen lassen. Oder aber er hatte es aufgegeben, den fröhlichen Sterblichen zu spielen, weil er erkannt hatte, dass sie nicht länger seinem ungestümen Charme erliegen würde.
Was sie natürlich nur begrüßen würde.
Das Wetter war äußerst ungemütlich, und es wäre dumm von ihr gewesen, den angebotenen Schutz abzulehnen. Außerdem hatte sie sich längst wieder im Griff. Er war nichts weiter als ein gut aussehender, reifer Mann, der für einen Moment seit Langem verborgene Gefühle in ihr geweckt hatte. Sie konnte diese Gefühle und Sehnsüchte jederzeit wieder begraben, und sobald er sie losließ, würde sie das auch machen.
Sie überquerten den Hof, während der kräftige Wind an ihren Mänteln zerrte und den Stoff gegen ihre Beine peitschte. Schnee und Eis zwangen sie dazu, die Augen zu winzigen Schlitzen zu verengen, sodass sie deutlich langsamer vorankamen als erwartet.
Dabei war sich Katherine ständig Rafes männlichen Schutzes bewusst. Jahrelang hatte sie sich nur auf sich selbst verlassen müssen, und so würde es auch wieder sein, wenn er sie verließ. Dennoch konnte sie nichts dagegen tun, dieses Gefühl zu genießen, dass da jemand war, der sie schätzte und beschützte.
Kaum hatten sie den warmen Saal betreten, nahm er den Arm weg. „Bei der Mutter der heiligen Maria, das ist ja ein teuflisches Wetter!“, murmelte er, nahm seinen zerlumpten Mantel ab und schüttelte ihn kräftig aus.
Auch Katherine legte ihren Mantel ab und übergab ihn der wartenden Hildegard. Sie sah sich um und bemerkte, dass Pater Coll sich bereits an die Tafel gesetzt hatte und so gelassen wirkte, als sei heute ein herrlicher Frühlingstag.
Sie versuchte, seinem Beispiel zu folgen, ging zu ihrem Platz auf dem Podest und wartete, bis Rafe sich zu ihnen gesellte.
„Können wir uns nicht glücklich schätzen, eine so gute Gastgeberin zu haben?“, sagte Pater Coll, nachdem sich Rafe gesetzt hatte und die Diener damit begannen, Brot und Ale zu servieren.
„Ja, das können wir tatsächlich“, stimmte Rafe dem Geistlichen zu.
„Es wäre schlimm, bei einem solchen Wetter unterwegs zu sein“, fuhr Pater Coll fort.
„Ich war einmal während eines Unwetters in den Alpen unterwegs, und ich möchte diese Erfahrung nicht noch einmal machen müssen.“
„Das muss schrecklich gewesen sein“, mutmaßte Katherine.
„Ja, das war es auch. Zum Glück hatte ich einen hervorragenden Bergführer, einen guten Mann namens Otto. Lasst mich etwas über ihn erzählen.“
Für den Rest der Mahlzeit unterhielt der Priester sie mit seinen Reiseanekdoten, die Katherine zutiefst beeindruckten und sogar Neid bei ihr weckten. Einmal mehr kam es ihr vor, als sei sie eine Gefangene jener Umstände, die sie in ihrer Freiheit einengten. Und da Rafe so dicht neben ihr saß, kam sie sich noch mehr wie in einer Falle vor.
Was der Priester erzählte, schien Rafes Zunge zu lösen, denn mit einem
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