2009 - komplett
dass sie an die seltsamsten Dinge dachte: bei ihm zu liegen und zuzulassen, dass er sie überall küsste. Selbst zuzulassen, dass er sich mit ihr vereinigte, auch wenn das sicher grässlich war, davon war sie überzeugt.
Würde es das wirklich sein?
Sie schloss die Augen und stöhnte auf bei all den Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. Was für eine Närrin musste sie in Morgans Augen sein! Was für eine törichte, nutzlose Närrin.
Morgan ging durch den Wald zum Flussufer hinunter, blieb stehen und sah zum mitternächtlichen Himmel hinauf. Er hatte sich heute bis an seine Grenzen gefordert, und jetzt fühlte er sich schwach, und alles tat ihm weh. Eigentlich hätte er wie ein kleines Kind schlafen müssen. Stattdessen stand er hier und trug einen Kampf mit sich aus. Und er konnte nicht zur Hütte zurückkehren, bis er sich nicht sicher war, dass Lindsay schlief.
Er begehrte sie. Und dieses Begehren löste einen Schmerz aus, der schlimmer war als der einer jeden Wunde, die er bisher auf dem Schlachtfeld erhalten hatte.
Noch nie hatte er ein so süßes Mädchen gekannt. Ein so unschuldiges. Doch ihre Unschuld war der Grund, warum er jetzt hier draußen stand, statt in der warmen Hütte in ihren Armen zu liegen.
Er hatte kein Recht auf die Unschuld eines Mädchens. Das war die erste Lektion, die er auf den Knien seines Vaters gelernt hatte. Wenn es eines Mannes Aufgabe war, Laird zu sein, musste er den Respekt seines Volkes besitzen. Und das hieß, ein ehrbares Leben zu führen, und zwar nicht nur für eine kurze Zeit, sondern für immer.
Er hatte versucht, nach diesem Ehrenkodex seines Vaters zu leben. Und bis jetzt war er auch noch nie übermäßig in Versuchung gekommen. Doch Lindsay Douglas könnte sich nun als sein Untergang erweisen.
6. KAPITEL
Lindsay kletterte die Leiter hinunter und warf einen Blick auf die Matratze in der Ecke. Sie war bereits sorgfältig zusammengelegt und beiseitegeräumt worden. Der Anblick ließ ihr das Herz vor plötzlicher Furcht stocken. Sie wandte sich ab und begann, die morgendliche Hafergrütze zuzubereiten.
Wenig später kamen Brock und Gwen heruntergeeilt. Sie zitterten in der morgendlichen Kälte und zogen sich rasch vor dem Feuer an.
„Wo ist Morgan?“, fragte der Junge.
Lindsay zuckte die Achseln. „Vielleicht auf und davon.“ Nicht, dass sie es ihm übel genommen hätte. Auch wenn sie sich diesem Gedanken nicht gerne stellte, musste sie ehrlich zu sich sein. „Jetzt, da seine Wunden heilen, wird er Leute seiner Art sehen wollen, Brock. Krieger, mit denen er in den nahe gelegenen Wirtshäusern trinken kann.“ Bier und Frauen. Die Vorstellung machte ihr plötzlich das Herz schwer.
Vielleicht hatte sie ihn mit ihrer närrischen Unwissenheit fortgetrieben. Was brauchte er eine Frau, die sich nicht wie eine Frau zu benehmen wusste? Warum sollte er sich wünschen, Teil dieses erbärmlichen Lebens zu sein?
„Ohne ein Wort soll er gegangen sein?“ Der Junge schüttelte entschieden den Kopf.
„Das würde Morgan nicht tun.“
Lindsay sah zu ihrem Neffen hinüber. „Du bist also Morgan McLarins Fürsprecher geworden?“
„Aye. Ich kenne ihn, Lindsay. Er würde nicht einfach fortgehen.“
Sie entschied, dass es wohl das Beste war, dem Jungen die Illusionen zu nehmen.
„Ein welterfahrener Mann wie Morgan McLarin, der sogar in Edinburgh war und die Königin gesehen hat, gehört nicht in so eine armselige Hütte.“
„Was höre ich da?“, donnerte von oben die Stimme ihre Vaters. „Ich will nicht, dass du so über unser Heim sprichst.“ Steifbeinig kletterte er die Leiter herunter.
Beschämt darüber, dass sie einem so unwürdigen Gedanken ihre Stimme geliehen hatte, senkte Lindsay den Kopf.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Morgan trat mit einem Arm voll Feuerholz ein.
„Siehst du?“ Brocks Stimme war voller Triumph. „Ich wusste doch, dass er nicht gehen würde, ohne auf Wiedersehen zu sagen.“
„Wer geht?“ Morgan stapelte das Holz neben der Feuerstelle, richtete sich dann auf und wischte die Hände am Plaid ab.
„Lindsay glaubte, du hättest uns verlassen.“
Als er zu ihr hinübersah, bemerkte er, dass sie sich jäh abwandte. Aber nicht so schnell, dass er die Röte auf ihren Wangen nicht gesehen hätte.
„Ich gehe nirgendwohin, Brock.“ Er zauste dem Jungen die Haare, bevor er zum Tisch trat. „Jedenfalls nicht, bevor ich nicht noch eine Gelegenheit bekomme, die Kochkunst deiner Tante zu genießen.“
Lindsay füllte
Weitere Kostenlose Bücher