2009 - komplett
versetzte. Auch wenn sie nicht ganz verstand, wie er sie durch seinen Blick durcheinanderbringen konnte, gefiel es ihr.
Sie verspürte Gewissensbisse. Er hatte ihren Streit schnell vergessen und seine übliche gute Laune wiedererlangt. Wirklich, er ist ein außergewöhnlicher Mann, dachte sie. Und sie hatte ihn falsch eingeschätzt.
Sofort nachdem sie ihn verlassen hatte, hatte sie ihren Entschluss, ihm ihre Lage nicht anzuvertrauen, auch schon bereut. Was für eine große Erleichterung wäre es, wenn es da noch jemanden gäbe, der diese Bürde mit ihr teilte. Und sie würde keinen finden, der ihres Vertrauens so würdig wäre wie Will.
Sie sah ein, dass sie ihm alles hätte erzählen sollen. Bald genug würde die ganze Geschichte ans Licht kommen, denn Clements Männer suchten sicher schon nach ihr.
Es wäre ein Wunder, wenn sie an Thalsbury vorbeizögen. Also würde Will über kurz oder lang alles erfahren. Ihre Tat würde im schlechtesten Licht dargestellt werden, und er würde ihr Verbrechen kennen. Daher beschloss sie, ihm alles zu erzählen und ihn dafür um Verzeihung zu bitten, dass sie ihren Fehler nicht früher erkannt hatte.
Doch noch war Zeit. Olivia war von weither gekommen. Vermutlich würden die Suchtruppen erst im späten Winter diesen Landstrich erreichen, vielleicht sogar erst im Frühling. Sie konnte Will also noch immer um Rat fragen, aber im Augenblick war es gut so, wie es war.
Der Klang ihres Namens, den jemand laut ausrief, weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie bemerkte, dass Perrin, der den Lord of Misrule gab, direkt auf sie zukam.
„Ich gewähre Olivia einen Wunsch“, verkündete Perrin und verbeugte sich vor ihr, wobei er elegant mit der Hand wedelte. „Was ist dein Begehr?“
Olivia war an die Späße gewöhnt, die der Zeremonienmeister verlangte. Also schob sie ihre bedrückenden Gedanken beiseite und erhob sich mit einem leichten Gefühl der Unsicherheit. Sie sah zu Will und entdeckte, dass er zurückgelehnt in seinem Sessel saß, die Arme vor der Brust verschränkt und so zufrieden aussah wie eine Katze, wenn sie eine Maus in die Ecke getrieben hat. Zweifellos hatte er sich mit Perrin verschworen. Doch sein warmes Lachen vertrieb alle Furcht.
Nachdenklich ließ sie den Blick über die Menge schweifen und rieb sich dabei die Hände. „Ich habe noch ein Hühnchen mit einem zu rupfen, der mich Tag und Nacht neckt. Ich sage, Fodor, der Koch, muss singen.“ Sie hielt einen Augenblick inne und fügte dann hinterlistig hinzu: „Ich denke, ein Liebeslied.“
Beifall begleitete den stämmigen Mann, den man jetzt zu einem Podium drängte. Im Saal wurde es still. Er trällerte ein schlüpfriges Liedchen, worüber alle lachten, dass sich die Balken bogen.
„Gut gemacht! Gut gemacht!“, erklärte Perrin und ging zum nächsten Spaß über.
Olivia setzte sich wieder. Sie spürte Wills Arm um ihre Schulter und seinen Mund nahe ihrem Ohr. „Ich finde, du hast genau das Passende gewählt.“
Sie schmunzelte. „Ich sagte Euch doch, dass meine Familie wusste, wie man richtig Weihnachten feiert. Und Ihr narrt mich nicht mit Euren Komplimenten. Ihr seid ja nur dankbar, dass ich Euch nicht zu tanzen befahl.“
Er lachte. „Ich glaube, da hast eher du Glück gehabt. Du hast mich noch nie tanzen sehen.“
„Ich werde mich daran erinnern, wenn der Lord of Misrule mir noch einen Wunsch gewährt.“
Wills Augen wurden dunkel, und sein Blick fiel auf ihren Mund. „Schade. Ich könnte mich für alle Zeit verfluchen, weil ich nicht daran dachte, mir von Perrin einen winzigen Wunsch gewähren zu lassen. Was soll’s, es gibt ja immer noch die Misteln.
Wie klug von mir, dafür zu sorgen, dass genügend davon in meiner Burg sind. Ich werde den Moment auflauern, in dem du ahnungslos unter einem Zweig hindurchgehst.“
„Also werde ich aufpassen.“
„Um den Misteln aus dem Weg zu gehen oder um sie zu suchen?“
„Ihr seid allzu dreist, Mylord“, schalt sie ihn.
„Das muss ich sein. Du bist zu schwer zu fassen. Ich weiß doch noch nicht einmal, woher du kommst, Olivia.“
Unbehaglich rutschte sie auf ihrem Platz herum. Dann rief sie sich ihren früheren Entschluss ins Gedächtnis. Wenn sie sich nicht auf Will verlassen konnte, auf wen dann? „Von der Südküste.“
„Von der ganzen? Dein Vater muss sehr reich sein.“
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. „Nun gut. Wenn Ihr versprecht, mein Geheimnis zu hüten ...“
„Ich schwöre es“, sagte er und legte die Hand auf das
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