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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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er der Wölfin entgegentrat. Ich sah, wie Vanessa seine Hand nahm und wie Leon sich hinter ihn stellte. Nicht, um sich hinter ihm zu verstecken, sondern um ihm den Rücken zu stärken.
    „Heute bist du der Boss!“, flüsterte er feierlich ernst. „Ja, und ich bin stolz darauf, dass ich dein Bruder bin.“
    „Mein kleiner Bruder!“, grinste Marlon und legte den Arm um Leons Schulter. „Bist du wirklich so sicher, dass ich dieses Vertrauen verdiene?“
    Doch als er danach zu April hochschaute, steckte er uns mit seinem Überschwang an. Auch wir fühlten uns stark, und für ein paar der glücklichsten Augenblicke meines Lebens spürte ich mich. Ich spürte mich so, wie man sich nur spüren kann, wenn man sich nicht mehr versteckt. Ich spürte die Kraft, die mein Mut in mir freiließ, so wie man das Leben spürt, wenn man nach einem zu langen Winter die Fenster aufreißt und den Frühling hereinlässt. Ich fühlte mich prächtig. Nein, wir alle fühlten uns so – bis April den Frühling mit einem Lächeln verscheuchte.
    „Wow. Ihr habt also einen neuen Boss! Ich gratuliere dir, Marlon, und ich hoffe, dass es keine Geheimnisse gibt, die dieses Vertrauen entkräften.“
    Sie musterte ihn mit einem spöttischen Blick, doch Marlons Finger verzahnten sich nur um so fester mit den Fingern Vanessas.
    „Ich hab keine Geheimnisse“, sagte er mit ganz fester Stimme. „Weder vor Vanessa noch vor einem anderen Kerl.“
    „Kerl?“, stutzte April und musste kurz kichern. „Nun, wie du meinst, Marlon. Dann nennen wir euch jetzt die Regeln:
    Wir sind die Wölfe von Ragnarök und wir haben in der letzten Saison den Freestyle Soccer Contest gewonnen. Wir sind der Meister, wie ihr es nennt, oder wie wir es sagen: der Hüter des Potts. Des großen Pokals. Und weil wir das sind, haben wir auch das Recht, den Aufsteiger in die Liga der Besten zu wählen. Und heute seid ihr dran. Die Wilden Kerle, nun ja, oder das, was von euch noch übrig ist. Die letzten sieben oder sieben einhalb.“ Sie maß mich mit einem überlegenen Grinsen. „Und wo die anderen sind, kann euch Marlon erzählen. Ich mein, da es doch keine Geheimnisse gibt.“
    Sie genoss kurz die Wirkung ihrer Worte auf uns.
    „Aber das ist Geschichte. Daran ändert man nichts. Reden wir lieber übers Jetzt. Deshalb sind wir doch hier. Ihr spielt gegen uns und eure einzige Aufgabe ist es, ein Tor zu erzielen. Ein Tor, bevor wir fünf Tore haben. So lang geht der Test und niemand verlangt von euch, dass ihr uns schlagt. Doch das ist die oberste Donnerschlagregel: Wer im Freestyle Soccer Contest jemals zu null verliert, steigt sofort ab. Und Abstieg bedeutet das Ende der Mannschaft. Dann löst man sich auf. Dann spielt man nie mehr und das ist absolut logisch: Denn wer, sagt mir, möchte, nachdem er einmal groß und erwachsen ist, wieder zurück in den Kindergarten?“
    Da lachten die Wölfe und heulten im Chor.
    „Und damit ihr versteht, wie ernst das ist, schaut in die Spalten im Boden vor euch. Dort seht ihr die Trikots und Bälle der Teams, die dieses Schicksal schon ereilt hat. Sie haben versagt. Sie waren am Ende des Jahres die Letzten. Sie haben ein Spiel zu null verloren oder sind am Aufnahmetest gescheitert. Sie waren, kurz gesagt, einfach zu schlecht. Und wer zu schlecht für Donnerschlag ist, verlässt es so nackt wie ein frisch geborenes Baby.“
    Die Wölfe heulten um April herum und ich spürte den Blick von Klette.
    „Hey!“, rief sie lachend zu mir herab. „Ihr werft alles da in die Spalten runter, nur nicht eure Schlüpfer. Die sammelt der Sieger als seine Skalps. Und dein Skalp gehört mir!“, lachte das Mädchen. „Damit ich niemals vergesse, wie Baby Nerv nackig durch den Wald nach Hause lief.“
    Ich glühte vor Zorn. Doch meine Angst war noch größer und April und Klette lachten mich aus.
    „Gut“, lachte April. „Die anderen Regeln schenken wir euch. Die gelten erst dann, wenn ihr zur Liga gehört. Doch das ist ein Wunsch, der sich niemals erfüllt.“ Sie sprang zurück auf den Sattel des Quads. „Dann lassen wir euch jetzt noch ein paar bange Minuten. Danach geht es los. Dann geht’s um alles!“
    Sie fixierte Marlon und Vanessa.
    „Es gibt sechs Feldspieler und einen Torwart. Der achte Spieler ist Ersatz, und eure Seite findet ihr dort.“
    Sie zeigte auf das Tor, über dem nur drei Fahnen hingen, und röhrte an der Spitze der Wölfe von der Brücke hinab auf die gegenüberliegende Seite der Höhle.

EIN LETZTES MAL WILD
    Wir

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