2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Warren-Familie Fürsorglicher Firmen so gern nennen. Das Ende aller Zeiten.
Sobald jemand hört, dass ich Maya bin, fragt er (oder sie) mich, was für ein übernatürliches Ereignis an diesem Tag stattfinden wird. Das geht schon seit Jahren so. Ich antworte meist: »Nichts, was Sie wissen müssten.« Oft auch nur mit: »Nichts.« Tja, jetzt wird doch etwas geschehen. Aber etwas Übernatürliches wird es nicht an sich haben. Ich habe es verursacht. Ich allein. Mit meinem kleinen Mauszeiger. Die Menschen, die jetzt auf Erden leben, einschließlich der Nachbarsfrau, des Papstes, Ihnen, des US -Präsidenten, meiner Wenigkeit und sogar der siebenköpfigen Besatzung an Bord der Internationalen Raumstation (die ein bisschen länger leben wird als die anderen, aber nicht viel), sind die letzten Menschen, die es jemals geben wird. Möglicherweise auch die letzten Bewusstseine, die jemals existieren werden. Hoffe ich jedenfalls.
Wieso?
Na, weil … Es spielt absolut keine Rolle, oder? Was ich hier mache – also diese Niederschrift –, muss Ihnen völlig sinnlos erscheinen. Wozu der Nachwelt eine Erklärung hinterlassen, wo es keine Nachwelt geben wird, wenn alles gut läuft? Es werden nicht einmal außerirdische Archäologen kommen, um den Zusammenbruch der Menschheit zu erforschen. Die meisten Menschen werden kaum Zeit haben, das hier zu lesen, ehe sie in die Nullheit eingehen. Trotzdem finde ich, dass wenigstens einige von Ihnen, ob kurzlebig oder nicht, eine Erklärung verdient haben.
Also, wie ist es dazu gekommen? Oder, um es zweckdienlicher auszudrücken: Woher weiß ich, dass ich das Richtige tue?
Kurz gesagt, ich weiß es einfach. Ich begreife die zugrunde liegenden Erwägungen – die Mathematik, könnte man es nennen. Denn im Unterschied zu fast allen anderen Menschen kann ich mir dieZahlen vorstellen , um die es geht. Und anders als jeder andere begreife ich, wohin diese Zahlen führen. Könnten Sie das auch, wären Sie der gleichen Meinung wie ich. Und würden genau das Gleiche tun.
Noch deutlicher ausgedrückt: Ich kann sehen, wie viel menschliches Leben existiert und wie viel noch kommt. Und ich sehe – und akzeptiere –, dass mehr als 99,8 Prozent dieses Lebens jetzt, in Zukunft und immerdar aus purem, ungemildertem Leid bestehen und bestehen werden. Aus Qual . Und ganz egal, wie viele Ablenkungen und Ausreden die Menschen sich einfallen lassen, ganz egal, wie viel für die Ableugnungsindustrie ausgegeben wird – jeder ehrliche Mensch mit einem IQ oberhalb der Raumtemperatur in Grad Fahrenheit wird zugeben müssen, dass das Leben Scheiße ist, um es ordinär auszudrücken. Ich erweise uns allen eine Gnade. Und das ist der Anfang und das Ende, die Summe und die Substanz.
Ich weiß, ich weiß. Sie wollen gar nicht, dass ich Ihnen diesen Gefallen erweise. Aber ich habe mich nicht darum gerissen, derjenige zu sein, der es tun muss. Nein, das bilde ich mir nicht bloß ein. Und die Fähigkeit zu begreifen kam nicht von selbst zu mir, wie es bei den Verrückten ist. In gewisser Weise hat das Ganze über dreizehnhundert Jahre gedauert. Und ich habe diese Entscheidung gar nicht so sehr für Sie und mich gefällt. Ich tue es eher für die Kinder. Die kommenden Generationen. Ja, Sie und ich, wir sind bereits gründlich am Arsch, aber wir können wenigstens darauf verzichten, noch mehr Bewusstseine hervorzubringen. Und das ist das Richtige. Tatsächlich gibt es viele Menschen – nicht nur schopenhauerische Philosophen und ihre Nachahmer –, die genau wissen, dass es das Richtige ist. Sie haben nur nichts unternommen. Ich dagegen habe den Willen, etwas zu unternehmen, und das Mittel, weil ich mit eigenen Augen gesehen habe, was Sache ist. Zumindest habe ich es mit meinem inneren Auge durch die Kameralinse des Spieles gesehen.
Nennen wir es zutreffender das Opferspiel . Anthropologen würden es als Wahrsagespiel bezeichnen, das mithilfe gezählter Steinchen oder Saatkörner die Zukunft erforscht, oder auch, allerdings seltener, die Vergangenheit. Wenn man es gut spielt, ist es so, als würde man Pachisi gegen Gott spielen und gewinnen. Auch wenn sich das Opferspiel, verglichen mit Pachisi, so verhält wie das Zubereiten einer Pekingente gegenüber dem Ziehen einer Tüte Erdnüsse aus einem Automaten.
Ich habe das Opferspiel schon als kleiner Junge gespielt und nie damit aufgehört. Wie einige von Ihnen aus meinen mittleren Vornamen (siehe oben) geschlossen haben werden, bin ich mayastämmig, ein
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