2017 - Das Kind und der Pflanzenvater
Bedeutungslosigkeit zu versinken."
„Rilme-Ireffe, du hast dich schon immer gut auf emotionale Gründe verstanden", meinte der Uralte nachsichtig. „In der Kronen-Hierarchie stehen unsere Orden, ganz gleich auf welcher Welt, ganz oben, denn die Pflanzenväter selbst kommen gleich nach der Schöpferin ESTARTU. Gewiß, wir haben keine Weisungsberechtigung, doch wir sind die einzigen, die den Willen der Pflanzenväter vermitteln können."
Die Gesichtsfarbe der Nonne wurde um eine Nuance dunkler. „Wie kann es dann geschehen, daß du der letzte bist, der die Windsprache versteht?"
„Vielleicht habt ihr euch mit den technischen Spielereien und der Beschäftigung mit dem Weltlichen zu sehr vom Zentrum des Waldes entfernt." Ein Vorwurf, der nicht so einfach abgewiegelt werden konnte, weil es keinen Gegenbeweis gab. Der Uralte konnte durchaus recht haben. „Du weißt, daß man die Windsprache nur erlernen kann, wenn man sein Herz öffnet und von Arystes akzeptiert wird. Dazu sind besondere Askese und Hingabe notwendig."
„Dann werde ich noch einmal bei dir in die Lehre gehen", schlug Rilme-Ireffe tapfer vor. „Ich werde bei dir leben, mich der Gnade der M'Hauny ausliefern - und wenn sie mich verschonen, dann werde ich auch in der Lage sein, die Windsprache zu lernen. Wenn es sein muß, werde ich bis an mein Lebensende in Askese bleiben, bis ich meinen Nachfolger ausbilden muß."
Yhata-Satnaky verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Das war er nicht mehr gewohnt, seine Lippen schmerzten, und er fuhr mit der Zunge über die dünne, trockene Haut. „Wenn es nur so einfach wäre..."
„Dann muß es einen anderen Grund für unser Versagen geben", konterte die oberste Nonne sofort.
Der Uralte hätte es wissen müssen.
Nicht ohne Grund hatte er sie erwählt; er aber hatte längst keine Übung mehr in philosophischen Disputen.
Natürlich gab es einen anderen Grund. Sicher hatte er mit dem Vorwurf der Abwendung von der Askese nicht unrecht - aber etwas anderes war weitaus bedeutender. Und schrecklicher.
Es war das einzige, düstere Geheimnis, was Yhata-Satnaky manchmal emotional belastete und ihn von der friedlichen Meditation ablenken konnte. Es war das einzige, worum er noch kämpfen und den Tod noch ein Weilchen weiter hinausschieben würde.
Wenn es denn einen Sinn hätte - aber wahrscheinlich konnte er gar nichts mehr tun. Außer darüber zu schweigen und abzuwarten.
Alle Hoffnungen der Tharoidoner konnten mit einem Schlag zunichte gemacht werden, wenn er öffentlich darüber sprach. Deshalb würde Yhata-Satnaky gewiß dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen, in der leisen Hoffnung, sich vielleicht doch getäuscht zu haben. „Ich bin ein alter Mann", wich er aus.
So etwas war immer eine praktische Ausrede. Wenn man nicht mehr weiterwußte, flüchtete man sich in scheinbare Senilität. Außerdem war es an der Zeit, endlich zum Kern zu kommen, damit er zu seiner Schirmbaum-Lichtung zurückkehren konnte. Er verspürte jetzt schon Sehnsucht nach der Ruhe und Beschaulichkeit. „„Weshalb bist du hier?" fragte er seine Besucherin direkt.
Rilme-Ireffe berichtete: „Die Kronefin Ru Ri-Garriott ist persönlich mit einer Delegation von Pur Straviente hierhergeflogen und bittet dich um ein Gespräch."
„Mich? Wozu das denn? Du bist doch die oberste Nonne. Ich bin ein alter Mann, der sich auf den Tod vorbereitet. Denkst du, die Belange der Kronefin sind für mich noch von irgendeiner Bedeutung?"
„Nun ja ... also, ehrlich gesagt, wollten sie schon mit mir reden. Aber ... das Problem ist eben, daß ich die Windsprache1'nicht verstehe." Sie hielt inne. „Ich brauche dich, alter Lehrmeister", gestand Rilme-Ireffe dann verlegen. „Ich mische mich in keine Politik ein", lehnte Yhata-Satnaky entschieden ab. „Das ist nicht die Aufgabe unseres Ordens, und das weißt du genau. Und Arystes hat schon sehr lange nicht mehr zu mir gesprochen. Ich meine, in der Art, daß er Anordnungen erteilte oder seine Wünsche ausdrückte.
Natürlich kann ich ihn die ganze Zeit spüren, und manchmal ... unterhalten wir uns auf eine spirituelle Weise. Aber das sind Dinge, die fern von dieser Welt liegen und nur mich etwas angehen."
„Bitte, Yhata. Du brauchst einfach nur zuzuhören, und ich werde deine Gedanken erraten. Du weißt, daß ich immer gut darin war."
„Hast du Furcht, eine falsche Entscheidung zu treffen?"
„Ja, wenn es nicht in Arystes' Sinne wäre. Es geht schließlich um mehr als um eine einfache
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