2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
beeinflusst. Darum war ES nach seiner Entstehung ein eher schwächliches Wesen, das Belastungsproben aus dem Weg gehen musste, wie etwa dem Kräftemessen mit Dienern der Chaotarchen. Das galt auch nach der eigentlichen Weiterentwicklung, bei der die „Geburtshelfer" eine wichtige Rolle spielten. Doch hat ES sich schließlich zu einer überaus kraftvollen Superintelligenz entwickelt. Ich muss wissen, wovon ich spreche, denn ich stand von Anfang an an der Seite von ES.
DER CHRONIST VON ES
Zweite Stunde: Überlebenshilfe
Gorake Hamatt war ausgebildeter Allgemeinmediziner. Sein Spezialgebiet war Diagnostik, was im Klartext hieß, dass er von den Anzeigen der medizinischen Geräte den Zustand der Patienten ablas, dann die Ergebnisse ausführlich mit seinem Syntron diskutierte und aus den dadurch gesammelten Informationen und seinem persönlichen Eindruck ein exaktes Krankheitsbild erstellte.
In dieser Disziplin war er Spitze. Aber in Situationen wie dieser wünschte er sich lieber, Psychologe zu sein. Oder noch besser: Bauer auf irgendeiner idyllischen Pionierwelt, wo man seltener - und nicht so direkt - mit Krankheit und Tod konfrontiert wurde. Denn hatte man einen Patienten in einem Überlebenstank, dazu ein Kleinkind, das erst wenige Wochen alt war, dann ging das ans Gemüt. Vor allem wenn man wusste, dass dieses Kleinkind ein ganz besonderes war, mit einiger Sicherheit eines der seltsamsten Wesen an Bord dieses Raumschiffes.
Und wenn man der Mutter gegenüberstehen musste und diese nach dem Zustand des Kleinen fragte, verzweifelte man innerlich. „Wie steht es um Delorian?" fragte Mondra Diamond. Der Mediziner registrierte den scharfen Unterton in ihrer Frage. „Sein Zustand ist unverändert", antwortete Gorake Hamatt mit sanfter Stimme und unverbindlichem Gesichtsausdruck. „Wir kümmern uns rund um die Uhr um ihn und geben ihm die beste Behandlung, die nur möglich ist ..." Er sprach weiter, indem er allgemeine medizinische Floskeln anwandte, die nichtssagend waren, auf Laien aber häufig Eindruck machten. Dabei hatte er allerdings das Gefühl, dass Mondra ihm gar nicht zuhörte.
Die junge Frau betrachtete kritisch das erbärmlich hilflos wirkende, reglos auf dem Rücken liegende Menschenbündel im Überlebenstank, das über Schläuche und Drähte mit der Überlebensmaschinerie verbunden war. Zwischendurch ließ sie ihre Blicke immer wieder zu den Displays wandern, die in Diagrammen, Zacken- und Wellenlinien und in anderen Hologrammen Bericht über den Zustand des Kindes abgaben.
Und jedes Mal, wenn sie von den Displays zu Delorian zurückblickte, schien sie zusammenzuzucken, wirkte sie geknickter und um Jahre gealtert.
Doch selbst in ihrem Schmerz blieb sie eine attraktive Frau. Gorake Hamatt meinte, dass sie darüber hinaus eine starke Frau sein musste, um das alles mit einer solchen Haltung zu ertragen. Sie musste ahnen, wie es um ihr Kind stand.
Hamatt kannte Mondra Diamond kaum. Der Mediziner war erst auf Camelot zur Besatzung der SOL gestoßen; natürlich hatte er sich über bekannte Besatzungsmitglieder wie sie im Laufe der Zeit gründlich informiert. Mondra Diamond hatte in ihrem früheren Leben als Agentin für den Terranischen Liga-Dienst gearbeitet. Bei Geheimeinsätzen in den Galaxien Shaogen-Himmelreich und DaGlausch, dort vor allem im Ring von Zophengorn, waren sie und Perry Rhodan sich nähergekommen. Der unsterbliche Terraner war der Vater ihres Kindes, hatte es aber nie zu Gesicht bekommen. Und doch hatte sie dem Kind den Namen des Vaters gegeben. Sein voller Name war Delorian Rhodan. „Wird Delorian wieder gesund?" fragte Mondra Diamond. „Könnt ihr ihm helfen?"
„Das lässt sich im Moment noch schwer sagen", antwortete Gorake Hamatt unbehaglich. „Delorian befindet sich in einem überaus kritischen Zustand.
Wir versuchen weiterhin, ihn stabil zu halten."
„Das nennst du stabil?" sagte sie und deutete auf die Displays, die durchwegs sinkende Lebenswerte zeigten. Die ehemalige Agentin suchte den Blick seiner Augen, aber Gorake Hamatt konnte dem ihren nicht standhalten. „Nun, ich kann nur wiederholen, dass wir unser möglichstes tun ...", begann er. Mondra Diamond unterbrach ihn kurzerhand. „Mein Sohn wird sterben, nicht wahr?" stellte sie fast sachlich fest. Diesmal wagte es Gorake Hamatt, ihr in die Augen zu sehen. Er hätte es besser nicht getan, denn es schmerzte ihn in tiefster Seele, was er darin las. Ihre Stimme klang jedoch weiterhin fest, als sie
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