2066 - Der Thronfolger
berüchtigten Truppe hatte, die sich als Elite ansah, desto besser. In diesem Fall ließ sich eine gewisse Zusammenarbeit nicht vermeiden. Wenn sie den Bericht erstellen wollte, musste sie sich ihrer beruflichen Disziplin unterwerfen und musste akzeptieren, dass sie auf das Wohlwollen und die Kooperation der Geheimdienstler angewiesen war.
Was Marchany wusste, war, dass die Tu-Ra-Cel überall diese speziellen Elitekommandos unterhielt, die für ihr äußerst effizientes wie brutales Vorgehen berüchtigt waren. Soweit die Journalistin wusste, gab es insgesamt nicht mehr als 5000 Mitglieder dieser Einheit, die mit eigenen Raumschiffen ausgestattet waren und über eigens für sie entwickelte Waffen verfügten. Die Kralasenen galten als die Treuesten der Treuen des Imperators und führten jeden seiner Befehle aus. Marchany war bei ihren Recherchen auf Informationen gestoßen, die sie in Angst und Schrecken versetzt hatten. Oft konnte sie nicht glauben, dass so etwas im Imperium geschehen konnte - aber offensichtlich war es wirklich so.
Wo das Hauptquartier dieser Elitetruppe war, hatte sie nicht in Erfahrung gebracht. Es gab eine Reihe von, Hinweisen darauf, dass es nur dem Imperator und den Kralasenen bekannt war. Da Marchany sich für arkonidische Geschichte interessierte und im Bereich ihrer Möglichkeiten recherchierte und forschte, war sie auf Berichte aufmerksam geworden, in denen ausgesagt wurde, dass die Kralasenen in Atlans Jugendzeit in den Diensten des Blinden Sofgart gestanden hatten, nach dessen Tod und in den nachfolgenden Jahrtausenden jedoch unwichtig geworden waren.
Sie ging davon aus, dass Bostich I. sich intensiv mit der Geschichte Arkons auseinandergesetzt und sich dabei auch mit dem Leben des berühmtesten Arkoniden befasst hatte, der unter dem Namen Gonozal VIII. immerhin als Imperator einer seiner Vorgänger gewesen war - mit Atlan. Sie vermutete, dass er irgendwann auf Berichte über die Kralasenen gestoßen war und die Anregung aufgenommen hatte, sie als Elitetruppe wieder aufleben zu lassen. Den Hinweisen auf das Hauptquartier der Kralasenen, einen Planeten, war Marchany nicht nachgegangen. Es war nicht gut, Nachforschungen über eine solche Truppe anzustellen.
Bemühungen in dieser Richtung konnten einem nur zu leicht als Spionage ausgelegt werden, und einem solchen Verdacht wollte sie sich auf keinen Fall aussetzen. Sie wusste, wann ihre Grenzen als Journalistin erreicht waren. Das betraf nicht nur die Menschenwürde derer, über die sie berichtete, sondern auch die Themenkreise, mit denen sie sich befasste. Während die Maschine landete, gingen ihr diese Gedanken durch den Kopf. Zeit, sich auf die Kralasenen einzustellen, blieb ihr kaum. Sie stieg aus, Mercarit, Oltra Rimeiyke und die anderen folgten ihr, und dann stand sie auch schon einem der Uniformierten gegenüber und blickte in ein nichtssagendes Gesicht. Der Mann war bar jeder Ausstrahlung. Er hätte zu jenen Männern gehören können, die einer der wertlosen Alibi-Tätigkeiten zugeteilt waren, mit denen einige Arkoniden der untersten Gesellschaftsschichten beschäftigt wurden. Es war ein Gesicht, das man schon beim nächsten Atemzug vergaß.
Doch Marchany da Camqoa ließ sich davon nicht täuschen. Sie wusste, dass niemand bei den Kralasenen aufgenommen wurde, der nicht nur über gewisse Qualitäten und einen hohen Lerc-Wert verfügte, sondern dem auch Charakterzüge zu eigen waren, über die man besser nicht nachdachte. „Gosner", begrüßte er sie mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen. „Du bist wirklich schnell." Eine gewisse Anerkennung sprach aus diesen Worten, berührte sie jedoch nicht. Ein Lob aus dem Munde eines dieser Männer interessierte sie nicht. Zudem wusste sie, dass jede Schmeichelei von seiner Seite ein Schachzug in dem Psychospiel war, in dem er sich ständig bewegte. „Wo ist er?" fragte sie.
Er wandte sich schweigend ab und ging vor ihr her, eine athletische Gestalt, die sie um gut einen Kopf überragte und die geradezu wuchtig im Vergleich zu ihr wirkte. Die Journalistin kam sich klein vor, ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Sie war froh, dass er nicht mehr mit ihr redete, sondern sie in einen großen, von Licht durchfluteten Raum führte, in dessen Mitte der Gefangene stand. Die Kameras schwärmten aus und nahmen den Mann von allen Seiten auf. Er war klein und schlank. Durch seine geradezu lässige Haltung fühlte sie sich provoziert. Der Gefangene schien sich nicht zu fürchten. Er verhielt
Weitere Kostenlose Bücher