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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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    Kapitel Eins
    Acht Jahre. Und jetzt war ich wieder da. Wieder in meiner Straße. Wieder in meiner Stadt. Das Haus lag immer noch zweihundert Meter entfernt, aber ich fuhr rechts ran und machte den Motor aus. Von London nach San Francisco, von San Francisco zu diesem beckenförmigen Tal im Vorgebirge des Massivs der Sierra Nevada – den ganzen Weg über war meine Nervosität angewachsen wie ein außer Kontrolle geratener Tumor, bis ich es jetzt, wo so wenig zwischen mir und meiner Vergangenheit lag, nicht mehr in dem engen Käfig des Pick-ups aushielt.
    Ich stieg aus und ging den Rest zu Fuß. Schnell, auf dem Bürgersteig. An Häusern vorbei, die ich schon tausendmal gesehen hatte. Aber es genügte nicht. Diese letzte Strecke, die finale Minute zwischen mir und meiner Heimkehr, war ein Schmerz, der mir Seelenqualen bereitete. Und so rannte ich. Ich rannte mit rudernden Armen und in den Nacken gelegtem Kopf. Hätte ich genügend Luft in mir gehabt, hätte ich geschrien.
    Endlich direkt vor dem Haus. Endlich. Keuchend trat ich durch das niedrige Tor, lief den kurzen Weg zur Eingangstür entlang, und die Eingangstür ging auf, als ich näher kam, schwang ins Haus, und da stand Stan, fuchtelte mit den Händen und hüpfte in seiner Aufregung auf und ab. Mein Bruder Stan, acht Jahre älter geworden und größer, aber noch genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
    »Johnny!«
    Mein Name sprang mir entgegen wie etwas Lebendiges.
    »Johnny!«
    Dieses eine Wort, dieser Schnappschuss von ihm, wie er zitterte und an der Eingangstür hüpfte, sagte mir, es war unverzeihlich und unbestreitbar falsch, dass ich Oakridge je verlassen hatte.
    Er tanzte durch den Flur rückwärts vor mir her, sprang immer wieder näher, um mich zu umarmen, drückte mich so fest, dass wir fast hinfielen, brüllte Fragen mit einer Million Meilen pro Stunde, schneller und schneller, bis seine überstürzten Worte rasanter purzelten, als sein Mund sie produzieren konnte, und er nur noch »Johnny, Johnny, Johnny, Johnny …« herausbrachte, dabei in die Hände klatschte und so breit lächelte, dass ich fürchtete, seine Lippen könnten reißen.
    Und dann kam er endgültig näher, drückte mich, umklammerte mich mit den Armen und presste mir die Stirn seitlich an den Hals … und beschwor damit die Erinnerung herauf, die mich am meisten quälte – Stan in meinem Zimmer, an dem Abend, als ich Oakridge vor so vielen Jahren verließ, wie er das Gesicht an meine Brust presste, während ich ihn zum Abschied umarmte, die Stille, die uns einhüllte, sich hinzog, und es mir nicht gelang, dafür zu sorgen, dass meine Abreise für ihn nicht zur Katastrophe wurde; ich hasste die Schmerzen, die ich ihm zufügte, und ich hasste mich selbst dafür.
    Und das Geräusch, das mich danach an jedem einzelnen Tag verfolgte, das einzige Geräusch, das er von sich gab – ein einzelnes grässliches Schluchzen, das er zu kaschieren versuchte, kaum dass es heraus war. Und als wir uns voneinander lösten, sah ich, wie sehr er sich anstrengte, nicht zu weinen, damit ich mich nicht noch elender fühlte als ohnehin schon. Damit ich fortgehen und tun konnte, was ich tun musste, ohne die Last seines Unglücks, die mich zurückhielt.
    Jetzt rückte Stan von mir ab und lächelte.
    »He, ich will sehen, wer größer ist.«
    Wir standen Rücken an Rücken, und er strich mit der flachen Hand über seinen Kopf, um zu spüren, wo sie meinen berührte. Er war viel größer als früher, sein Körper in den Jahren nach dem Unfall massig geworden, gedrungen und aufgedunsen. Ich wollte, dass er wieder klein wäre, dass er der Junge wäre, den ich überragte und mit den Armen leicht umfassen konnte, aber inzwischen war er gut zwanzig Kilo schwerer als ich.
    »Du bist immer noch größer als ich, Johnny, aber ich hab’s fast geschafft.«
    An diesem Morgen schien mir, als müsste ich ihm so vieles erklären, in Ordnung bringen, entschuldigen. Doch stattdessen brachte ich nur ein Lahmes »Tut mir leid, dass ich so lange fort war« heraus.
    Stan lachte.
    »Aber jetzt bist du wieder da! Dad kommt heute Abend.«
    »Er konnte sich nicht freinehmen?«
    Stan zuckte die Achseln. »Hast du ein Auto?«
    »Einen Pick-up.«
    »Ich darf nicht fahren. Schau her, ich habe deine Jacke an.«
    Mit Anfang zwanzig hatte ich in einer schwarzen Motorradlederjacke gelebt. Ich hatte sie ihm als Abschiedsgeschenk gegeben. Jetzt mit dreiundzwanzig passte sie ihm, wenn sie auch knapp saß. Darunter trug er ein

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