2069 - Die Ritter von Dommrath
robotischer Verstand war so scharf wie eh und je. „Aber auch nicht gut."
„Wir haben unseren Einfluss im Land Dommrath konsequent ausgeweitet", widersprach Rissa. „Unsere technologische Überlegenheit erlaubt uns, hochautomatisierte Raumschiffe zu konstruieren, die nicht mehr als ein einziges Besatzungsmitglied benötigen. Unsere Schiffe sichern wirksam den Sektor Crozeiro gegen jegliche Übergriffe kriegerischer Völker ab. Manchmal auch mit jener Waffengewalt, die wir so sehr verabscheuen."
Haj schwieg. Es hatte den Anschein, als ließe er den Blick über die majestätischen Gipfel des Gebirges der Lüfte schweifen, jenes Höhenzugs westlich von Crozeirenstadt, in dem einst Rissas großes Vorbild Yie Kascha'de den Leichnam von PULCIA DER HEILERIN unter freiem Himmel hatte bestatten lassen. Yie Kascha'de war schon lange in den kosmischen Äther eingegangen, doch PULCIA war noch immer von ihren zweiundzwanzig Ordonnanzen umgeben, die sie auch im Tod bewachten. Rissa fragte sich, ob die Schönheit des Landes dem uralten Roboter tatsächlich ein ästhetisches Vergnügen bescherte oder er sie nur brüskieren wollte, indem er seine Aufmerksamkeit von ihr ablenkte. „Zahlreiche Völker der Umgebung haben sich auf unsere Seite gestellt, der erzwungene Friede in unserem Sektor hat deutlich sichtbar zu prosperierendem Wachstum geführt."
„Das Ende des ewigen Krieges hat auch die permanente Vernichtung volkswirtschaftlicher Wertschöpfung beendet", bestätigte Haj nüchtern. „Kriegswirtschaft konnte auf Zivilwirtschaft umgestellt werden. Das wissen Lebewesen durchaus zu schätzen, habe ich mir sagen lassen."
„Wir haben die Zamfochen und ihre Haustiere, die Tayrobo, aus dem Sternhaufen Mintakh nach Crozeiro umgesiedelt, und sie sind zu unseren treuesten Freunden und Verbündeten geworden, auch wenn sie sich noch immer nicht für tagespolitische Dinge interessieren.
Die Tayrobo werden gezielt intelligenter. Die Caranesen und die zahllosen Haj'Markani haben mittlerweile die unterirdischen Fabriken der Crozeiren umgerüstet, und dort werden Transmitterportale produziert. Wir haben ein erstes Do'Tarfryddan errichtet."
„Ein Transportsystem, das ein Sternengebiet von nicht mehr als etwa fünftausend Lichtjahren umfasst. Ein Tropfen auf den heißen Stein."
„Aber immerhin ein Anfang!" sagte Rissa. Zweieinhalb tausend Jahre war sie jetzt alt, und ihr oblag es, die Geschicke nicht nur der Kimbaner, sondern aller Dommrather zu lenken. Sie war eine Nachfahrin des legendären Zyn Kascha, und ebenso wie ihre berühmten Vorfahren trug sie jene Gene in sich, die ihr eine unter den Kimbanern herausragende Initiative bescherten. Es war natürlich eine Täuschung, doch Haj schien innezuhalten und Luft zu schöpfen, bevor er dann zu seinem großen verbalen Gegenschlag ausholte. „Die Kimbaner nehmen auf die Entwicklungen behutsam Einfluss, soweit wie möglich aus dem Hintergrund", gestand er .ein. „Doch das alles ändert nichts daran, dass unser Volk zahlenmäßig stark schrumpft. Siehst du die Zukunft wirklich nicht klar vor dir? Es gibt mittlerweile nicht einmal mehr zweitausend Kimbaner. Die Geburtenrate ist katastrophal niedrig, die Tatkraft der verbleibenden Angehörigen scheint mir zumeist erschreckend gering ausgeprägt! Das ist auch ein Grund dafür, dass die Entwicklung im Grunde so träge verläuft."
„Ich bin nicht so weise wie du, Haj, aber ich bin auch nicht dumm. Ich bin zu ähnlichen Schlüssen gekommen, und deshalb habe ich dich um dieses Gespräch hier an diesem Ort gebeten. Mir ist klar, dass wir nun allmählich beginnen müssen, das Land Dommrath auf eine Zukunft, ohne Kimbaner vorzubereiten. Mag es auch noch Hunderttausende Jahre dauern, bis der letzte von uns gestorben ist - ein aus eigener Kraft funktionierendes System des Friedens benötigt sehr viel Zeit, man muss es etablieren und geradezu ins kollektive Bewusstsein einer Galaxis einbrennen. Und am besten gelingt dies ..." Der Roboter drehte sich zu ihr um. „Mit Hilfe einer Mythenbildung?"
Rissa nickte. „Die Kimbaner müssen zurücktreten, unsichtbar werden, den Rang einer übergeordnet leitenden Instanz erreichen. Das ethische Vorbild der Kimbaner muss geradezu legendäre Ausmaße erreichen, um auch ohne ihre körperliche Anwesenheit zu funktionieren."
Sie hielt kurz inne. „Es ist nun an der Zeit, den Ritterorden von Dommrath tatsächlich und in jeglicher Praxis zu gründen. Das Konzept muss Gestalt annehmen!" Rissa Kascha'de klatschte
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