2109 - Tagebuch der SOL
Veränderungen anzupassen? Denn wir müssen uns anpassen, wenn wir überleben wollen! Wir müssen uns auf die Suche nach einer Heimat machen! Ebenso ist es unsere Pflicht, zu lernen, unsere Zeitrechnung umzustellen..."
Der junge Mom'Serimer verstummte und biss sich auf die Lippen. Sei behutsam, hatte Crom Harkanvolter ihn ermahnt.
Wie sehr der Lord-Eunuch Recht gehabt hatte, konnte er nun an den Gesichtern seiner Artgenossen ablesen.
Viele blickten kritisch, manche erschrocken, einige zweifelten wohl an seinem Verstand. Es war noch zu früh, er konnte nicht alles auf einmal verlangen.
Und erneut musste Shoy nun Stap Recht geben: Er war noch zu jung für diese Verantwortung. Er musste zuerst reifer werden, nachdenken, bevor er herausplatzte, sich in Geduld üben. Warum nutzte er das nicht als Vorteil? Stap war wirklich schon alt. Er hatte höchstens noch zwei Jahre. Und bisher hatte er sich als nicht besonders aktiv erwiesen. Das Volk würde schon von selbst darauf kommen, dass er nicht die beste Wahl war.
Gib ihnen die Zeit, flüsterte die Stimme des Toten in ihm. Du hast doch noch alles vor dir, bist noch nicht einmal fünf. Arbeite langsam, aber beständig an der Veränderung, der Anpassung.
Das änderte nichts daran, dass Shoy sich gedemütigt vorkam und schwer an seiner Niederlage nagte. Aber er war selbst schuld. Er hatte sich nicht vorbereitet, war vorgestürmt - und an einer Wand abgeprallt. Stap war in diesem Moment der Bessere. Aber Shoy war nicht dumm und zumindest reif genug, Fehler und Schwächen vor sich selbst zuzugeben - um sie nie wieder zu begehen.
Trotzdem musste er sein Gesicht wahren. Sonst würde er nie der Anführer seines Volkes; er musste ernst genommen werden, vor allem in so einem Moment.
„Ich möchte, dass das Volk in einer Wahl selbst darüber entscheidet, wer Lord-Eunuch wird. Und zwar so bald wie möglich", fuhr er mit ruhiger, klarer Stimme fort. „Schließlich wollen wir beide dasselbe, Stap - dem Volk dienen. Überlassen wir ihm also auch die Entscheidung, welche Zukunft es will."
„Einverstanden", stimmte Crumero mit gequälter Miene hinzu, die Spitzen seiner Gehirntentakel flatterten.
Offensichtlich war es Shoy trotz allem gelungen, ihn zu überraschen - er hatte sich nicht wie ein trotziger Halbwüchsiger benommen, sondern einen guten Vorschlag gebracht. Und damit deutlich gemacht, dass er alles daransetzen wollte, um das Amt zu kämpfen.
Der Beifall zeigte Shoy, dass er das Beste aus diesem Moment gemacht hatte. Er verließ das Podium und ging zu Basch und Shah.
„Du wirst es schaffen", sagte Basch zuversichtlich. „Shah ist meiner Ansicht, und bestimmt sind es viele andere ihres Alters auch."
„Ich mag diesen langweiligen Stap nicht", stimmte Shah zu. „Er ist so ... gesichtslos und farblos. Überhaupt kein Vergleich zu Crom Harkanvolter. Ich zweifle keinen Moment daran, dass Crom dich als Erben eingesetzt hat."
„Danke, Shah, Basch, für euer Vertrauen. Aber machen wir uns nichts vor: Die Wahl werde ich haushoch verlieren. Sie sind einfach noch nicht so weit, und wenn wir ehrlich sind, ich bin es wahrscheinlich ebenso wenig."
„Aber was willst du dann machen?", stieß Basch verwirrt hervor.
„Wir machen weiter, wie wir es vorgehabt haben, Basch", antwortete Shoy. Seine grün gesprenkelten Augen funkelten lebhaft. „Wir behalten unser Lager und helfen den Dookies beim Aufräumen. Du wirst sehen, die anderen werden irgendwann mitziehen."
2.
Bordleben Und hier ist er wieder, der beliebteste Sender des Weltalls, SOLtv mit den brandneuesten Nachrichten an diesem 7. November 1304 NGZ. Ich komme gleich zum wichtigsten Ereignis: Heute fand die - wie man übertragen sagt - Beisetzung des verstorbenen mom'serimischen Lord-Eunuchen Crom Harkanvolter unter Teilnahme der gesamten Schiffsführung statt. Gerade die jungen Mom'Serimer haben sich sehr angetan von dieser Anteilnahme gezeigt. Sie schienen zudem sehr aufgeregt, weil es das erste Weltraumbegräbnis eines ihrer Artgenossen war.
Der neue Lord-Eunuch Stap Crumero wollte sich allerdings öffentlich nicht dazu äußern, wie es nun weitergehen wird. Er hat mir ziemlich deutlich gemacht, keine allzu große Nähe zum Rest der Besatzung zu wünschen. Aber natürlich muss man ihm vorerst nachsehen, dass er ein schweres Amt übernommen hat und sich erst in seine Rolle hineinfinden muss. Kaum jemand ist ein geborener Diplomat. Ich werde also einen zweiten Versuch unternehmen, wenn sich die Lage beruhigt
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