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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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gewartet, bis die Besatzung der Wolkenstadt den Vogelschwarm vertrieben hatte. Fast drei Stunden lang.
    In diesen Stunden – und auf dem Flug hierher – hatte Matt dem Kaiser seine Geschichte erzählt, die nicht fünfzig, sondern nur acht Jahre umfasste.
    Mein Gott – acht Jahre schon! Mir kommt es vor, als wäre ich erst letztes Jahr aus der Zeit gefallen und hier gelandet.
    Jetzt trat er neben Marie an die Reling und blickte hinab.
    Unter ihnen, auf dem Landeplatz der Wolkenstadt, blinkten Lichter. Die Männer der Schutztruppe signalisierten die Landeerlaubnis. Die Wolkenstadt sah aus wie eine gigantische, kreisrunde Luftmatratze voller Häuser, Straßen und Menschen.
    Eine atemberaubende Konstruktion! Stabiler als die Wolkenstadt der alten Bauweise, die Matt und Rulfan vor wenigen Wochen kennen gelernt hatten. Statt Dutzender loser Plattformen mit Trägerballons darüber würde man auf Orleans ausgedehnte Spaziergänge unternehmen können, ohne dauernd über Brücken und Leitern zu klettern. Und auch die Menschen dort unterschieden sich – hoffentlich – von denen auf Toulouse-à-l’Hauteur, wo sie einer verrückten Herrscherin mit knapper Not entkommen waren. [4]
    Wieder lächelte Marie den Mann aus der Vergangenheit an.
    Verdächtig oft tat sie das, oder? Er erwiderte das Lächeln so unverbindlich er konnte und blickte dann an der dunklen Schönheit vorbei zu deren Vater. In de Roziers Gesichtszügen arbeitete es. War er mit seinen Gedanken schon bei den Regierungsgeschäften, oder rekapitulierte er Matts Erzählung und zog Vergleiche mit seiner eigenen Vergangenheit? Auf dem Weg nach Wimereux, seiner Residenz, wollte er Matt davon berichten, das hatte er ihm versprochen.
    Die kaiserliche Roziere landete. Männer der Schutztruppe packten die Ankertaue und liefen nach vier Seiten davon, um sie an ebenhölzernen Säulen zu befestigen. Hauptmann Lysambwe öffnete den Ausstieg. Hinter dem Kaiser und seiner schönen Tochter verließ Matt Drax an Prinz Akfats Seite das Luftschiff.
    Eine Menge Leute liefen zusammen: Soldaten, Diener, Höflinge. Stimmengewirr erhob sich, von allen Seiten begrüßte man den Kaiser, die Prinzessin und den Prinzen. Dabei ging es ziemlich lautstark und temperamentvoll zu.
    Ein Offizier, dem die militärische Ausbildung aus jeder Pore zu strömen schien – Matt erfuhr später, dass es sich um den neuen Kriegsminister Pierre de Fouché handelte – erkundigte sich besorgt nach den Ereignissen an der Großen Grube und nach dem Ergehen Ihrer Majestät. Er vermeldete, dass eine zweite Tochter des Kaisers nicht hatte warten wollen und bereits mit einer Roziere in ihre eigene Stadt – Avignon-à-l’Hauteur – aufgebrochen sei.
    Matt Drax registrierte es, wie man Dinge registriert, die man zufällig hinter einer Glaswand sieht. Zu viele neue Eindrücke strömten auf ihn ein. Und einer dieser Eindrücke war Prinzessin Marie, die ihm nach wie vor Blicke zuwarf. Sie schien wirklich an ihm interessiert. Oder faszinierte sie nur seine Hautfarbe Und sein blondes Haar? Vielleicht war er ja – neben ihrem Vater – der erste und einzige Weiße, den sie je gesehen hatte.
    Nun, hoffentlich machte sie sich keine falschen Hoffnungen.
    Er war nach Afra gekommen, um seine Aruula zu suchen und aus der Gewalt ihres gemeinsamen Sohnes zu befreien. Nach einem amourösen Abenteuer stand ihm wirklich nicht der Sinn.
    ***
    Madagaskar, Anfang März 2524
    Sie trat auf die erste Stufe der Treppe, die vom Bootsheck aus hinunter zwischen die Baobabs führte. Mindestens dreißig Männer, Frauen und Kinder hockten oder lagen im Schatten der riesigen Bäume. Einige begannen bereits Unterschlüpfe in unmittelbarer Nähe des Hausbootes zu errichten. Andere lehnten Bretter und Äste gegen die fast acht Meter durchmessenden Stämme der Baobabs, um sich auf diese Weise eine Behausung zu improvisieren.
    »Raus aus meinem Garten!« Keetje stemmte die Fäuste in die Hüften und blitzte ein grauhaariges Paar an, das im Begriff stand, ein paar in den Boden gerammte Stöcke mit einer Lederdecke zu bespannen. Ein kranker Greis lag auf Fellen zwischen den Stöcken. Die beiden Efrantenvögel der Leute hackten auf einer Baobabfrucht herum. »Was fällt euch ein? Seht ihr nicht, dass ich hier Kräuter angepflanzt habe?«
    Das Paar entschuldigte sich wortreich, baute den unvollendeten Unterschlupf wieder ab und trieb seine drei Meter hohen Reitvögel vom Hausboot weg.
    »Zum Schaitan mit euch!«, zeterte Keetje. Sie wandte sich an

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