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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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bucklige Heiler legte dem Einäugigen die Hand auf die Schulter. »Ich lüge, wenn ich den Mund aufmache – solange ich nicht bei der Arbeit bin. Sobald ich jedoch einem Patienten gegenüberstehe, sage ich die Wahrheit, grundsätzlich. Ich kann nichts dafür, das verlangt nun einmal meine Berufsauffassung. Leb wohl.« Der Greis wandte sich ab und ging zur Tür.
    Dort hielt Keetje ihn fest. »Ist es wirklich wahr, Yessus?«, flüsterte sie. »Yann muss wirklich sterben?«
    »Noch nicht gleich.« Der alte Heiler griff zur Klinke. »Aber in ungefähr drei Monaten.«
    »Heiliger Kukumotz!« Sie schlug die Hände vor den Mund und lief zu Yann. »Bitte nicht, bitte nicht…!« Sie kniete nieder, warf sich an seine Brust und begann jämmerlich zu heulen.
    »Mein Kopf!« Yann presste die Fäuste gegen die Schläfen.
    »Nicht so laut, mein Kopf zerspringt!« Er schielte zur Luke.
    Der Heiler stand auf der Schwelle und blickte zurück. Yann streckte den Arm nach ihm aus. »Hast du nicht wenigstens ein Schmerzmittel für mich?«
    Der schwarze Greis schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid. Gegen diese Schmerzen kenne ich nur zwei Mittel: einen raschen, selbst herbeigeführten Tod oder ganz viel Schnaps. Dann könntest du im Rausch dahindämmern, bis der Tod von selbst kommt.«
    »Raus!« Yann ballte die Faust und fuchtelte mit dem Arm.
    »Verschwinde!«
    Der Greis trollte sich. Er stieg die Treppe zum Außendeck hinauf. Als er den Riegel aus dem Schloss gezogen und die Luke geöffnet hatte, drängten sich die beiden Haudegen, die vor der Tür gewartet hatten, an ihm vorbei. Sie polterten die Stiege herab und bückten sich durch die Luke, die in Yanns Behandlungskajüte führte.
    »Wer, beim Schaitan, sind die?«, flüsterte der Seher. Jedes Wort schmerzte ihn, und er hielt sich den Schädel.
    Keetje blickte auf. Hinter einem Tränenschleier beäugte sie die hünenhaften schwarzen Kerle. »Die haben Yessus mit ihren Dampfwagen hierher gebracht. Soll ich sie rausschmeißen?«
    Zuerst sahen die Burschen einander verblüfft an. Dann brachen sie in schallendes Gelächter aus. »Nein!« Yann verbarg den Kopf zwischen den Knien. »Seid leise, ihr bringt mich ja um…«
    Die Burschen hörten auf zu lachen. Unsicher äugten sie zu dem Seher, der sich vor Schmerz wand. »Wir sind die Haudegen des Großen Kriegshäuptlings Wyluda«, sagte einer der beiden mit krampfhaft leiser Stimme.
    »Was für ein Wyluda, zum Schaitan?«, zischte Keetje. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Ihr kennt den Großen Kriegshäuptling Wyluda nicht?« Der große Kerl runzelte verwundert die Stirn. »Er beherrscht fast die gesamte Nordostküste der Insel. Seine Burg ist die größte Festung auf dem Erdenrund! Sie liegt ein Stück südlich von hier am Sambayafluss zwischen dem Gebirge und der Ostküste! Wie kann es sein, dass ihr den Großen Kriegshäuptling Wyluda nicht kennt…?«
    »Wir können nicht jeden Hohlkopf in dieser Gegend kennen«, schnarrte Keetje. »Wie heißt ihr?«
    »Ich bin Loykass und habe achtundachtzig Männer erschlagen.« Der Riesenkerl wies auf seinen Gefährten. »Das ist mein Bruder Woyzakk, er hat einundneunzig Männer erschlagen.«
    »Zweiundneunzig«, korrigierte der andere.
    »Verschwindet«, stöhnte Yann Haggard.
    Keetje stand auf. Fluchend ging sie zu den beiden Kerlen und baute sich vor ihnen auf. »Verschwinden, kapiert?«
    »Der Große Wyluda bietet dir einen Posten in seinem Beraterstab an«, sagte Loykass, ohne das zierliche Mädchen zu beachten. »Er hat von deinem Tick… äh, von deiner Fähigkeit gehört. Unser Kriegshäuptling braucht Leute wie dich. Er bietet dir…«
    »Verschwindet endlich«, jammerte Yann mit weinerlicher Stimme. »Ich ertrage euch nicht länger.«
    Die Zwillingsbrüder sahen einander ratlos an. Offenbar hatten sie mit entschieden mehr Begeisterung gerechnet.
    »Verpisst euch!«, zischte Keetje. »Habt ihr Schmalzpfropfen in den Ohren?«
    Ungläubig musterten die ungeschlachten Kerle das so viel kleinere Geschöpf mit den blonden Zöpfen. Schließlich gaben sie auf. Knurrend zogen sie sich zurück. Keetje folgte ihnen in den Kajütengang. »Wartet mal«, flüsterte sie, als die Burschen die Luke zum Außendeck öffneten. »Was wollte euer Kriegshäuptling denn zahlen?«
    »Freie Kost, ein Dach über dem Kopf und ein Goldstück pro Woche.«
    »Nicht schlecht, beim Kukumotz, nicht schlecht!«
    Nachdenklich rieb sie sich ihr schmales Kinn. »Ihr habt ja gesehen, wie es um den Seher steht. Er

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