2157 - Die Wurmreiter
zudem war er jünger und weniger erfahren. Er hatte zwar sein Jugendfell abgeworfen und sich zu einem hübschen, athletischen Burschen gemausert, aber seine Emotionen noch keineswegs unter Kontrolle. „Aber ich muss in den Kampf!", schrie er. „Es sind die Orichi, meine allerschlimmsten Feinde! Hast du vergessen, was sie meinen Eltern angetan haben?"
„Ich habe nichts vergessen", antwortete Rani, „und genau deswegen lasse ich es nicht zu, dass du hier und jetzt deine Rache ausüben wirst. Du sollst sie dir aufsparen."
Der junge Wurmreiter kämpfte sichtlich mit den Tränen, als er bettelte: „Ich kann nicht bleiben, ich bin ein Krieger! Wenn ich nicht kämpfe, bin ich nichts wert! Wieso darf ich nicht mit?" Rani Kecko drückte ihm den brüllenden Säugling in den Arm, bevor er weg laufen konnte. „Weil du ein gedankenloser Hitzkopf bist, mein kleiner Augapfel, darum", sagte sie unerwartet sanft.
Nun war Emboy gezwungen stillzuhalten, um seinen Sohn nicht zu gefährden. „Ich würde siegen!", stieß er hartnäckig hervor. „J a, wahrscheinlich. Aber wie viel ist dann noch von unserer Siedlung übrig?" Rani strich ihm die Ohrbüschel glatt. „Außerdem ist unser Spiel von letzter Nacht noch nicht beendet", fuhr sie gurrend fort. „Der Zeitpunkt ist günstig für ein zweites Kind, und diesmal soll es eine Tochter werden. Das erwarte ich noch von dir, bevor ich dich davonjage."
„Jag mich nicht fort, Rani!" Emboys zerknittertem Gesicht war deutlich anzusehen, dass eine Welt in ihm zusammenbrach. Er bemerkte nicht einmal mehr den erbitterten Kampf um sich, das Pfeifen der Steinkugeln, die rings um ihn einschlugen.
Der junge Krieger liebte Rani über alles. Nachdem seine Eltern von den Orichi vor seinen Augen hingerichtet worden waren, hatte sie ihn aufgenommen, zunächst fast wie einen Sohn, später dann als Geliebten, und schließlich hatte sie ihn sogar als Ehemann anerkannt. Sie war seine Familie, sein Halt, umso mehr, seit sie ihm gestattet hatte, sein Stammblut an ihr gemeinsames Kind weiterzugeben. „Ich will doch alles tun!" Jahrelang hatte er Rache an den Orichi geschworen und voller Sehnsucht den Tag erwartet, an dem er gegen sie in den Krieg ziehen würde. Nun war es so weit... „Dann beweise mir, dass du würdig bist, mein Mann zu sein!", sagte Rani mit blitzenden Augen. „Nimm deinen Sohn und sorge dafür, dass die Alten und Kinder in Sicherheit gebracht werden! Verteidige sie mit deinem Leben, bis wir gesiegt haben!" Seine Frau wartete keine Antwort mehr ab, sondern gürtete sich und warf sich in den Kampf. Das bedeutete Jubel auf der einen und Schreckensrufe auf der anderen Seite, denn Rani Kecko war ebenso bekannt wie gefürchtet.
Rupe Cormaron übernahm das Oberkommando über die Wurmreiter. Die Ohrenschlangen fauchten aufgeregt, reckten die Köpfe, als ihre Herren ihnen die Sättel auflegten und sie ausrüsteten. Das Ausrüsten war der einfache Teilein Problem war der schnelle Aufstieg. Die Flugwürmer waren zu schwer, um direkt vom Boden abzuheben; die Azzati hatten eine Art Startrampe gebaut, die die Schlangenvögel hinaufkrochen. Mit kräftigen Flügelschlägen erhielten sie gerade so viel Auftrieb, dass sie abheben konnten. Auch dann bestand die Gefahr des Absturzes, bis sie mit ein, zwei Schlägen den Rand der Terrasse erreicht hatten und von den zirkulierenden Fallwinden aufgefangen wurden.
Aufgrund der enormen Spannweite konnte immer nur ein Flugwurm starten, so dass es annähernd eine halbe Stunde dauerte, bis die ersten drei Reiter endlich in der Luft waren - der Stürmer, Anführer der Schar, sein Bomber und sein Schleuderer. Ihnen folgte der Netzwerfer, und dann wurde die Reihe fortgesetzt.
Die Stürmer griffen die fremden Flugwürmer direkt an, die Bomber warfen Steinbrocken auf die anrückenden Fußtruppen, die Schleuderer schmetterten zu Schrot zerkleinerte Steinladungen auf die fliegenden Gegner, und die Netzwerfer versuchten aus dünnen Pflanzenfasern geknüpfte Netze über die fliegenden Schlangen zu schleudern, um sie zum Absturz zu bringen. Die besten Reiter und Anführer starteten als Erste, die schlechtesten zuletzt. Emboy blickte ihnen zitternd vor Wut und Verzweiflung nach, als einer nach dem anderen emporstieg. Er hörte Gurrus trompetenden Schrei.
Das Tier rief nach seinem Herrn; verständnislos musste es zusehen, wie alle außer ihm sich in die Lüfte erhoben. Wütend kämpfte es gegen die Flügelfesseln an, die ihn auf dem Boden hielten, damit er den
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