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061 - Der Fuerst der Finsternis

061 - Der Fuerst der Finsternis

Titel: 061 - Der Fuerst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ball
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    Liebe Mit-Vampire!
     
    „Am 7. September brachte die Feuerwehr des Dorfes dem Enkel des Schloßherrn ein Ständchen mit Fackelzug. Von der Familie waren im Schloßhof versammelt: der Schloßherr, seine Schwiegertochter, vier seiner Enkel, mein Mann und ich. Anwesend war noch der größte Teil der Dienerschaft und eine Anzahl von Dorfbewohnern, die mit der Feuerwehrmusik ins Schloß gekommen waren. Es war ein sehr heller Abend, die Festlichkeit war beendet, ein Teil der Bevölkerung hatte den Schloßhof schon verlassen, die übrigen brachen gerade auf, als meine Cousine plötzlich meinen Arm ergriff und sagte:‚ Die Weiße Frau!’‚ Wo?’ fragte ich ungläubig.‚ lm Saal oben am Fenster’, flüsterte meine Cousine.
    Ich sah nichts. Plötzlich aber ging eine zierliche Frauengestalt in weiß wallenden Gewändern, die Hände über die Brust gekreuzt, die langen offenen Haare von einem dünnen weißen Schleier bedeckt, etwa zwanzig Schritte vor uns vorbei auf die Hintertreppe zu. Die Gestalt war zur Hintertreppe gelangt und glitt hinauf in einer Weise, die nicht irdisch war. Es war kein Füße heben, kein Steigen die Stiege hinauf, kein Raffen der langen Gewänder, kein Gehen, sondern ein unheimliches schnelles Schweben und Gleiten, so daß ich in lahmendem Schreck erkennen mußte: das ist kein Mensch, kein Lebewesen.
    Meine Vettern liefen der Gestalt nach, doch als sie zur Stiegenecke kamen, war die weiße Gestalt in nichts zerronnen. Viele der Anwesenden hatten die Weiße Frau schon früher an einem der Saalfenster gesehen, von grünem Schein umflossen.“ Das ist eines der bekanntesten Schloßgespenster, und nicht einmal ein englisches, obwohl gerade die englischen Schlösser ja besondere Wirkstätten für ganze Generationen von geisternden Ahnen sind. Es handelt sich hier um die‚ Weiße Frau aus Bernstein’ im Burgenland. Über sie gibt es Berichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, und sie hat sich seither immer wieder im Gespräch gehalten. 1913 gelang es sogar, sie zu fotografieren, indem man den Apparat mit offener Blende Nacht für Nacht auf die Stelle richtete, an der die Frau aufzutauchen pflegte. Mehrere Gutachter bestätigten, daß das Foto zwar miserabel, aber echt sei. Es zeigt die Frau von rückwärts, eine weiße, verhüllte Gestalt, vor einer schwarzen Türöffnung, und hat weder dem Skeptiker, noch dem Gläubigen etwas zu bieten. Darüber, wer die Weiße Frau ist, gibt es nur Vermutungen. Im fünfzehnten Jahrhundert war der reiche ungarische Magnat Ujlak Schloßherr auf Bernstein. Die Weiße Frau soll seine Gattin gewesen und das Opfer eines Familiendramas geworden sein. Der Ehemann habe sie einmal mit einem italienischen Jugendfreund überrascht, den Italiener erstochen und in den Schießbrunnen geworfen. Die Schloßfrau aber sei seitdem verschwunden. Von da an malt die Phantasie Abenteuerliches. In einer Version heißt es, daß in dem einen Turm der Burg eine Schloßinsassin verhungert oder eingemauert worden sei. Historisch steht fest, daß Ujlak im letzten Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts Schloßherr und nur kurze Zeit verheiratet war. Nach etwa drei Jahren seiner Ehe fehlt von seiner Frau jede Spur. Er starb kinderlos. Seine Frau war eine geborene Giovanna Frescobaldi aus Florenz, die er um 1485 geheiratet hatte. Gewiß ein interessanter Stoff für Vampir-Autoren. Alles da, was für die Dramatik notwendig ist: Liebe, Mord, Haß, Leidenschaft, Rache über den Tod hinaus und dergleichen mehr. Aber wie denkt die Vernunft darüber, wie die Wissenschaft?
    Da gibt es die, die solche Dinge ignorieren, und solche, die sie
    Leidenschaftlich verfechten. Eines ist klar, in unsere wissenschaftliche, aufgeklärte antiseptische Welt paßt der Gedanke an Gespenster nicht. Auch die Religion hat über das Jenseits definitiv andersgeartete Vorstellungen. Die‚ Geisterseher’ sind so etwas wie moderne Hohlwelttheoretiker. Sie ziehen einen Strich durch alle aufgeklärten und gottgefälligen Vorstellungen. Sie stehen dabei gar nicht so einsam da. Viel Aberglauben haftet uns noch aus vergangenen Zeiten an. Und gerade die klare Wissenschaft weckt in ihrem recht geordneten Kosmos die Sehnsucht nach dem Mystischen und Magischen. Dabei ergibt sich unweigerlich die Frage: Sollte dieses in vielen Aspekten so großartige und komplexe Geschöpf Mensch wirklich so einfach verlöschen mit dem Tod?
    Weder die Wissenschaft, noch die Religion, noch die Magie, noch die Vernunft können diese Frage

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