2180 - Objekt Armaire
zerfielen auch die Schleier, Flocken und Bällchen mehr und mehr in Einzelpartikel, die als Wandung eines gewaltigen Trichters davonstrudelten und in zunächst rasenden, weiter außen jedoch langsamer werdenden Rotationen höher und höher stiegen. Der lang gestreckte, riesige Wirbel weitete sich in einer Distanz von knapp einer Million Kilometern auf einen Durchmesser von fast derselben Größe aus - und verlor sich in der Finsternis des Thoregon-Weltraums.
Normaloptisch nicht zu erkennen und auf den Ortungsholos in hellblauer Falschfarbendarstellung hervorgehoben war der entlang der Zentralachse des Strudels überlichtschnelle hyperenergetische „Jetstrahl", der Richtung Thoregon-Zentrum wies. In einigen Lichtjahren Distanz „degenerierte" die Hyperenergie zu instabilen Hyperbarie-Quintronen, aus denen schließlich die von Elle Ghill erwähnten „Strome staubfeiner Masse" wurden.
Wo sich die ebenfalls angesprochenen „feldenergetischen Beschleuniger" der Materiepumpen befanden, ließ sich nicht exakt sagen. Wir vermuteten jedoch, das damit die Strudelerscheinung gemeint sein musste, die zweifellos wie der Energiering von den sechs Weltraumtraktoren erzeugt wurde.
Als Protonen und Elektronen - sprich vollständig ionisierter Wasserstoff, in der Spektroskopie als HII bezeichnet, im Gegensatz zum neutralen Wasserstoff HI -raste die materialisierte Masse mit einigen zehntausend Kilometern pro Sekunde weiter Richtung Sternhaufenzentrum und formte ausgedehnte, schwach leuchtende Emissionsnebel in diffuser, wolkenartiger Form von einigen Dutzend Lichtjahren Größe. „Eindeutige Rekombinationslinien", sagte Viena Zakata. „Sie werden im Anschluss an eine Rekombination eines freien Elektrons mit einem Proton ausgestrahlt. Hoch liegendes Energieniveau, von dem das Elektron kaskadenartig zu tiefer liegenden Niveaus übergeht, bis der Grundzustand erreicht ist.
Jeder Übergang ist mit einer charakteristischen Spektrallinie verbunden. Im sichtbaren Spektralbereich liegende Balmer-Linien sind ebenso vorhanden wie jene im Radiofrequenzbereich; zum Beispiel die Sechszentimeterlinie des Übergangs eines Wasserstoffatoms vom hundertzehnten zum hundertneunten Niveau.
Die gemessenen Gastemperaturen liegen zwischen sieben- und zwölftausend Kelvin. Die Elektronendichte variiert, entspricht aber weitgehend einer kompakten H-Zwei-Region mit Dichten zwischen zehn- und hunderttausend Elektronen pro Kubikzentimeter. Während die Wasserstoffionisation in normalen H-Zwei-Gebieten Folge nahe stehender leuchtanregender Sterne ist, abhängig von der Effektivtemperatur und der Gasdichte des Nebels, ist es hier die Materialisation durch die Materiepumpe - je weiter entfernt, desto geringer."
Der Leiter der Abteilung Funk und Ortung wies auf das Holo, in dem in etwa dreißig Lichtjahren Entfernung lang gestreckte dunkle Gebiete mit leuchtender Umrandung zwischen den Schleiern des Emissionsnebels zu sehen waren, von den Astronomen als „Elefantenrüssel" umschrieben. An anderen Stellen gab es dunkle kugelförmige Globulen. „Kaltes H-Eins-Gas, das zum Teil in die H-Zwei-Region hineinragt oder ganz umschlossen ist. Durchaus möglich, dass es wiederholt zu Inhomogenitäten kommt. Durch erhöhten Nachschub und den damit verbundenen plötzlich steigenden Druck kommt es zu lokalen Expansionen; abgekühlte H-Eins-Wolkenmaterie wird dann zusammengepresst und weggedrückt."
„Eigentlich ganz trivial!", rief Myles plötzlich, die flache Hand klatschte vor die Stirn. „Sonnenwind und Energieabstrahlung! Manchmal ist man wirklich mit Blindheit geschlagen!"
Der Wissenschaftler ließ in das Gesamtholo des Sternhaufens als bläuliche Sphäre die „Grenzschicht" einblenden, anschließend folgten die von den Sonnen ausgehenden, die Gravitation überwindenden Ausströmungen. Der Prozess mochte auf den ersten Blick gering erscheinen, aber im Gegensatz zum Standarduniversum gab es hier ja einen „Rand", mit dessen Überschreiten alles genauso verschwand wie unsere Sonden.
Myles präsentierte die offensichtliche Lösung für die Materiepumpen; „Extrapoliert man die Entwicklung des Sternhaufens über einen langen Zeitraum, ergibt sich als wichtiges Problem der Masse- und Energieverlust. Was die Grenze nach draußen überschreitet, ist für den Haufen verloren. Dies gilt über kurz oder lang zum Beispiel für den gesamten Sonnenwind. Damit die Gesamtmasse des Sternhaufens nicht permanent abnimmt, muss zum Ausgleich der Verluste Energie oder Masse
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