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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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1

    Die Sonne zappelte am Himmel.
    Der Sattel bot kaum noch Halt.
    Dass die Hitze so weit nördlich dermaßen quälend sein würde, hatte der Leutnant nicht ahnen können. Noch nie zuvor hatte er die Felsenwüste mit eigenen Augen gesehen. Auf ihren Gipfeln hatte er sogar Schnee erwartet, aber da war nichts, was Kühlung versprach. Die Luft flimmerte und ließ das graubraune Gebirge tanzen. Hammerköpfige Echsen huschten züngelnd umher. Zikaden sirrten in Wellen. Der Himmel war wolkenlos und dennoch bewegt wie ein Gewässer voller goldener Strömungen. Die Sonne – die Sonne war die Königin des Himmels: Sie herrschte unumschränkt, und das Firmament kannte keine Farben mehr außer ihrer. Aber dem Leutnant kam es so vor, als würde hinter den steilen Abweisungen der Felsenwüste noch zusätzlich ein Feuer lodern, dessen warmer Hauch immer wieder zu ihm herabwehte, seine Armhärchen bestrich wie mit summender Glut und ihm den Schweiß aus den Poren zog.
    Der Leutnant war kein blutjunger Mann mehr – im letzten Winter hatte er das 32. Lebensjahr erreicht. Seit vierzehn Jahren bereits trug er die Uniform der Königin des Kontinents. Aber nun schien ihm der kühlende Winter genau so weit entfernt wie die Jugend, in der solche Hitze ihm noch nichts ausgemacht hatte.
    Je weiter er ritt – von Ferbst aus landeinwärts, das spröde und ausgebleichte Gebirge der Felsenwüste unablässig zur Rechten –, desto mehr seiner Kleidungsstücke verschwanden in den Satteltaschen. So war er als einigermaßen stattlicher Leutnant der königlichen Stadtgarde von Chlayst von Bord eines Schiffes gegangen, und nun, sechs Tage später, strauchelte er auf einem armeeeigenen Pferd unter der Sonne dahin, unrasiert, bloßarmig, die Hosen bis hoch zu den Knien aufgekrempelt, die Lippen brüchig, das harte Gesicht zu einer steten Grimasse verzogen. Das Wasser in seinen Feldschläuchen war lauwarm wie eine Körperausscheidung und schmeckte mit jedem Schluck bitterer. Das Pferd gebärdete sich bockig, ging oft eher seitlich als gerade, verkantete sich, nickte nervös mit dem Kopf, scheute bei jedem Geräusch. Der Leutnant war kein guter Reiter – das Pferd misstraute ihm ebenso wie er dem Pferd, und der Sattel war unbequem und schweißig. Eigentlich hatte er darauf gehofft, von Ferbst aus in einer Kutsche weiterreisen zu können, doch in der Garnison dort hatte man ihm die Zügel eines Pferdes in die Hand gedrückt und ihm gesagt, es wäre nett, wenn er das Tier bis Carlyr einreiten könnte.
    Bis Carlyr. Zur Festung Carlyr.
    Der Leutnant verfluchte seinen Befehl.
    Er hasste es, reiten zu müssen.
    Er hasste die Hitze des inneren Landes.
    Er hasste es, so weit entfernt zu sein von Chlayst.
    Chlayst war aufgegeben worden im letzten Jahr, als die Luft plötzlich giftig wurde und es tote Vögel regnete. Die Stadtgarde war mitsamt der Bevölkerung an die Küste geflohen, dorthin, wo man noch atmen konnte. Seitdem verwaltete sie das Chaos. Gute Leute wurden gebraucht, denn neuerdings waren zu Not und Elend, Pestilenz und Entsetzen sogar noch bewaffnete Aufstände hinzugekommen. Vor Chlayst war der Leutnant nützlich gewesen unter gleichsam Nützlichen, die Stadtgarde eine schmale Barriere, die das Gute vom Unzurechnungsfähigen zu trennen vermochte. Aber was machte er hier, einsam auf einer staubigen Straße, die nach verbrannten Kräutern und Kuhdung roch und sich als Kruste auf die Zunge legte, wenn man unachtsam genug war, den trockenen Mund eine Weile offen zu lassen?
    Er verfluchte seinen Befehl.
    »Gönne dir die paar Monde, ein halbes Jahr vielleicht, dann hole ich dich wieder zurück«, hatte sein alter Hauptmann ihm gesagt. »In der Festung Carlyr haben sie den großen Feldzug gegen die Affenmenschen verloren, dort ist noch mehr Not am Mann als bei uns.«
    »Aber hier kenne ich mich wenigstens aus, ich habe mein ganzes Leben in Chlayst verbracht!«, hatte der Leutnant versucht aufzubegehren.
    Doch der alte Stadtgardehauptmann hatte nur gelächelt, dieses müde, väterliche Lächeln. »Das Chlayst, in dem du gelebt hast, gibt es nicht mehr. Mach dich nützlich, wo man dich braucht! Und atme, mein Junge! Atme!«
    Der Leutnant sah den Scheiterhaufen vor sich mit den Kindern. Nur kurz. Er sah dieses Bild immer nur ganz kurz, als hätte sein Unterbewusstsein begriffen, dass es länger nicht zu ertragen war.
    Die Seeluft der Überfahrt nach Ferbst hatte ihn zu erfrischen versucht, doch der Leutnant hatte dies nicht zugelassen. Er trug Chlayst

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