221 - Feindliche Übernahme
Yao, der mich so furchtbar enttäuscht und verletzt hat. Und sie treffen meine Mutter, der ich immer blind vertraut habe.
Etwas in mir zerreißt. Mir ist schwindlig, ich spüre plötzlich gar nichts mehr. Da ist nur noch Schwärze. Ich möchte nie wieder aus ihr erwachen.
Trotzdem geschieht es. Drei Wochen bin ich krank. Ich fiebere. Meine Mutter kümmert sich um mich, aber ich will ihre Hilfe nicht. Mir ist schlecht, wenn ich sie sehe, auch wenn sie sich tausend Mal entschuldigt hat.
Ich will sterben. Aber ich sterbe nicht. Langsam, ganz langsam beginne ich meiner Mutter zu verzeihen. Sie erklärt mir, dass sie nach dem Tod meines Vaters lange keinen Mann mehr gehabt hat und Yaos Avancen irgendwann nicht mehr widerstehen konnte. Es tut ihr furchtbar leid, mir so wehgetan zu haben. Ja, ich verstehe, dass sie Yao nicht widerstehen konnte. Ich konnte es ja auch nicht.
Er will sich mit mir treffen. Nach langem Zögern tue ich es.
Ich erwarte, dass er sich entschuldigt, vielleicht kann ich ihm dann auch verzeihen. Aber er entschuldigt sich nicht. Er sagt, dass das doch nicht so schlimm sei und dass ich mich nicht so anstellen solle. Furchtbarer Hass steigt in mir hoch. Wie kann er es wagen?
Yao ist gescheit. Er geht auf die Universität in Kiegal und macht seine Ausbildung als Maschiinwart. Und er ist so gut in seinem Beruf, dass er als Erster Maschiinwart vorgeschlagen wird. Dazu braucht er aber einen absolut einwandfreien Leumund. Meine Mutter, die Yaos Verhalten nun ebenfalls verurteilt, droht ihm, zur Obersten Kommission zu gehen und zu erzählen, was damals geschah. Es sei denn, er zieht seine Bewerbung freiwillig zurück.
Drei Tage später wird die Braut für Papa Lava gewählt.
Zweimal im Jahr vermählen die Huutsi eine Frau mit ihm, um ihn gnädig zu stimmen. In aller Regel stammt die Unglückliche aus den Reihen der Sklavinnen, nur selten wird eine Huutsi erwählt. Dieses Mal aber trifft es meine Mutter! Obwohl sie viel älter ist, als Bräute es in der Regel sind.
Die Wahl der Kommission ist unabänderlich, die Bräute haben sich zu fügen. Ich muss als gewählte Brautjungfer zuschauen, als meine Mutter in den feurigen Schlund gestoßen wird.
Danach weine ich drei Tage. Und mein Hass auf Yao wächst ins Ungeheure. Denn ich bin sicher, dass er die Kommission bestochen hat, meine Mutter zur Braut zu machen, auch wenn ich es nicht beweisen kann. Aber so ist er eine Zeugin losgeworden, die seine Karriere hätte gefährden können.
Wieder trifft er mich und sagt mit einem süßen Lächeln, dass es am besten so sei, wie es gekommen ist. Denn meine Mutter hätte mir bei nächster Gelegenheit wieder den Mann ausgespannt, da sie brünstig wie eine Wakudakuh gewesen sei.
Irgendwann würde ich einsehen, dass er recht habe.
Ich schlage mit Fäusten auf ihn ein, bin nicht mehr Herr meiner Sinne. Mein Hass, so tief wie die Schlünde Papa Lavas, übermannt mich. Ein Hass, der niemals mehr enden wird. Ich will Yao irgendwann in seinem Blut sehen. Getötet von meinen eigenen Händen…
***
Am Weißen Nil, Mitte April 2524
Vier Tage kreuzte die STOLZ DES NILS nun schon flussaufwärts gegen ungünstige Winde und die Strömung an.
So hatte Sükar genug zu tun und war bisher nicht dazu gekommen, Nefertaris Versprechen einzufordern.
Die Königin saß hauptsächlich an Deck, genoss die Fahrt und ließ sich bedienen. Sükar hatte dafür einen Matrosen abgestellt, denn er wusste ja, dass ihm seine Mühen reichlich vergolten würden.
Aruula hatte in der Zwischenzeit erfahren, was erst im Königsgrab und dann in Semwes mit ihr geschehen war: Nefertari war es möglich, kraft ihres Willens den Wirtskörper für kurze Zeit zu unglaublichen Höchstleistungen anzutreiben.
Die Folge war allerdings, dass sie danach völlig entkräftet und wehrlos war, daher setzte Nefertari dieses Mittel ausschließlich in Notfällen ein.
Durch Aruulas Augen beobachtete sie nun die Matrosen bei den Decksarbeiten. Der große stämmige Kerl dort vorne würde mir um Längen besser gefallen als Sükar, versuchte sie ein Gespräch mit Aruula anzufangen. Doch die antwortete nicht.
Das war ungewöhnlich. Nefertari tastete nach dem Geist der Kriegerin. Und bemerkte die leichte Veränderung ihrer Aura.
Aruula schlief!
Sofort versuchte die Königin nachzufassen. Vielleicht war dies die Gelegenheit, auf die sie so lange gewartet hatte. Hatte Aruula inzwischen so viel Vertrauen zu ihr gefasst, dass sie leichtsinnig wurde? Doch Nefertari wurde
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