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2216 - Tau Carama

Titel: 2216 - Tau Carama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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schwindelig. Sie brauchte eine Weile, bis ihre Sinne wieder normal funktionierten. „Ein Bote? Wo ist er?"
    Noreikes nachsichtiges Lächeln machte sie verlegen. Erst nach und nach begriff sie, was Norei-Norei gemeint hatte. „Da, schau!" Noreike deutete auf die Motana zwischen den Hütten. Sie starrten ohne Ausnahme zu ihnen herüber. Als Intake sich in Bewegung setzte und auf sie zuging, wichen sie scheu zurück. So schnell sie konnten, verschwanden sie in ihren Nestern oder zwischen den Bäumen und Büschen der Anhöhe. Erst nach und nach kehrten sie zurück und kümmerten sich um die Verletzten und Toten. Aber auch jetzt machten sie einen großen Bogen um Intake. „Ich bin verflucht." Sie begriff endgültig, dass ihre Stunden in Oreschme gezählt waren.
    Noreike widersprach. „Erst hatte ich Angst. Jetzt aber weiß ich, was los ist. Du bist ein Geschenk des Himmels. Dich haben uns die Schutzherren gesandt."
    Phandera glitt in ihrer Gondel zum Boden herab. Die Lokale Majestät war uralt. Manche Motana erzählten, dass nur die Hoffnung auf etwas Bestimmtes sie am Leben erhielt.
    Zum ersten Mal seit Jahren blickte Intake in dieses alte Gesicht voller Schrunde. Teils waren sie entzündet. Salben und Gelees füllten die tiefsten der Furchen aus. Ein paar der vorderen Fingerglieder Phanderas waren nicht mehr durchblutet und starben ab.
    Der Gedanke, dass den alten, halb verfaulten Körper lediglich diese wachen Augen und der klare Verstand am Leben hielten, jagte einen Schauder nach dem anderen über Intakes Rücken. Noreikes Händedruck verstärkte sich unmerklich. Die Freundin schob Intake vorwärts, der Gondel und den Wächterinnen rundherum entgegen. „Das Schicksal ist gütig, denn es hat mich diesen Tag erleben lassen", klang es rasselnd aus dem zahnlosen Mund. „Über zwei Generationen haben wir warten müssen, bis uns ein Mädchen wie du geboren wurde. Du hast das Talent, die Tau Carama zu spüren. Du fühlst, wenn die Kruste von Mutter Irthumo bricht. Intake, du bist eine Irthumo-Lauscherin. Solange du am Leben bist, liegt Segen über dem Volk von Ore. Ja, ich bin sicher, keine Tau Carama wird in dieser Zeit mehr ein Leben stehlen."
    Die Verantwortung für unser Volk ruht jetzt allein auf meinen Schultern! Die Erkenntnis warf Intake nieder. Sie stürzte auf die Knie. Die Lokale Majestät nahm es als Zeichen der Ehrfurcht. Sie hob segnend beide Hände über das kniende Mädchen. „Jetzt zündet ein Feuer an", verkündete sie. „Bald müsst ihr den Rat zusammenrufen, der über meine Nachfolge bestimmt."
    Ihr Kinn sank auf die Brust. Augenblicke später kündeten gleichmäßige, rasselnde Atemzüge davon, dass Phandera eingeschlafen war.
    Intake war noch immer wie vor den Kopf geschlagen. Mehrfach kniff sie sich in die Wangen und Arme. Es half nichts. Sie erwachte nicht aus diesem Traum. Irgendwann stellte sie fest, dass Noreike sie vom Zentrum des Dorfes weg in die Büsche zog. Die beiden Mädchen kuschelten sich eng aneinander. Sie wärmten und streichelten sich, bis sie alles um sich herum vergaßen.
    Irgendwann, kurz vor Sonnenuntergang, hatte Intake die Erlebnisse des Tages einigermaßen verarbeitet. Sie setzte sich auf und lehnte ihren Rücken gegen einen Stamm. Noreike sah ihr bei jeder Bewegung zu. „Über vierzig Opfer sind zu beklagen", sagte die Freundin. „Das ist fast ein Zehntel unserer Bevölkerung. Meine Mutter meint, die Fischer und Bootsbauer seien dumm gewesen. Wer eine solche Warnung missachtet, baut auch keine guten Schiffe."
    Intake machte sich dennoch Vorwürfe, weil es ihr nicht gelungen war, die Motana am Strand zu retten. Noreike gelang es nur unzureichend, ihr das auszureden. Als sie wie ein Wasserfall auf sie einzureden begann, hielt Intake sich einfach die Ohren zu. „Ich will jetzt nicht darüber sprechen", murmelte sie. „Ich wünsche mir, weit weg von hier zu sein an einem Ort, wo mich niemand kennt."
    Diesen Wunsch würde ihr wohl kein Motana erfüllen können. Und zudem waren sie seit vielen Generationen froh, dass niemand Ore und ihre Bewohner beachtete. „Hör nur!" Noreike half ihr in den Lederschurz. „Die Ältesten stimmen den Choral der unvergänglichen Vorsehung an." Ohne es eigentlich zu wollen, brach Intake in Tränen aus. „Sie sollen aufhören. Keinen Choral bitte. Ich ertrage es nicht."
    Noreike wollte sich auf den Weg machen, aber Intake hielt sie zurück. „Bleib bei mir."
    „Aber der Choral..."
    Intake richtete sich auf die Zehenspitzen auf.

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