2218 - Die Epha-Matrix
auch die kleine rote Sonne Cain. Aicha musste weiträumiger denken, ihre Matrix auf diese gewaltigen Entfernungen abstimmen. Als ihr das erst einmal gelungen war, bereitete ihr der Flug im Raum keine weiteren Probleme mehr. Sie unterteilte die großen Entfernungen in viele kleine Etappen und ersann dafür fiktive Bezugspunkte. In Aicha stieg ein Gefühl des Triumphs auf. Sie sprach mit Gorlin und den anderen darüber, und ihr Bruder bestätigte es. „Du hast uns die Weite der Unendlichkeit vermittelt, Schwester. Wir hatten zuletzt das Gefühl, im Gesang Teil des Alls zu werden." Als sie sich Ansor-Kybb-Romal mitteilte, sagte dieser jedoch: „Du musst noch weiter sehen, Aicha, bis zu den fernsten Sternen - und darüber hinaus."
„Was meinst du mit über die fernsten Sterne hinaus?", fragte Aicha irritiert. „Ich habe mich falsch ausgedrückt", sagte der Kybb-Cranar. „Es geht nicht darum, weiter zu blicken, sondern in die Tiefe. Du wirst sofort merken, wie ich das meine, wenn der Zeitpunkt gekommen ist." Sie dachte an Careve, die parallel zu ihr das Raumtraining absolvierte. „Wie ergeht es eigentlich Careve?", fragte sie. „Sie hinkt dir hinterher", antwortete Ansor-Kybb-Romal. Aicha glaubte, dass der Zeitpunkt gekommen war, Ansor-Kybb-Romal die Frage zu stellen, die sie die ganze Zeit beschäftigte. „Was hast du Soroa und Careve in jener Nacht angetan?"
„Es sah zuerst aus, als wollte Ansor-Kybb-Romal in einem Wutausbruch explodieren. Aber er beruhigte sich sofort wieder und sagte nur: „Für diese Dreistigkeit müsste ich dich eigentlich töten." Er beließ es bei dieser Drohung. Aicha begann am ganzen Leib zu zittern. Sie wusste, dass Ansor-Kybb-Romal nahe daran gewesen war, ihr das Leben zu nehmen. Er tat es nur nicht, weil Raphid-Kybb-Karter sie benötigte.
Sie war die beste Epha-Motana. Sie durfte Ansor-Kybb-Romal nur nicht noch einmal derart reizen. Aicha bekam immer mehr das Gefühl, dass ihr bei den Übungsflügen im Raum von Baikhal Cain etwas fehlte.
Da war etwas in der Epha-Matrix, was sie nicht fassen konnte. Ein Hintergrund, ein Gesang vielleicht, den sie nur zu erahnen vermochte. Aber als es ihr dann doch gelang, das fremdartige Bilderchaos zu entwirren und in den dahinter liegenden Bereich vorzustoßen, erschrak sie zuerst über sich selbst und war danach sehr verwirrt. Desorientiert geradezu. Aicha hatte es längst geschafft, auch fernere Sterne mit ihrem Geist zu erfassen. Und die nächste Sonne Ash, immerhin 0,6 Lichtjahre von Cain entfernt, erschien ihr bald zum Greifen nahe. Zu diesem Stern hatte sie seit ihrer Kindheit eine besondere Beziehung. Sie besaß noch immer den Stein, von dem Gorlin einst behauptet hatte, er sei vom Himmel gefallen und ein Stück von Ash. Und Ansor-Kybb-Romal hatte einmal angedeutet, dass sie irgendwann dorthin fliegen sollte. Darum war Ash etwas Besonderes. Ansor-Kybb-Romal hatte aber auch gesagt, dass sie weiter blicken musste - und vor allem mehr in die Tiefe. Das hatte sie getan, und das Ergebnis erschreckte sie.
Die Epha-Matrix war in ihrem Geist förmlich explodiert, und es war gerade so, als werde ein Vorhang von ihrem Geist weggezogen. Und sie hatte erkannt, dass die Epha-Matrix eine weitere Ebene besaß. Aicha brach den Flug ab und erzählte Gorlin und den anderen von ihrer Erkenntnis. „Das ist aber eine unzulängliche Umschreibung. Es scheint vielmehr so zu sein, dass es sich dabei um eine Art Kapsel handelt, in die alles eingehüllt ist. Der uns umgebende Raum, das gesamte All."
„Wie soll das möglich sein?", wunderte sich Gorlin, und auch die anderen Quellen konnten ihr nicht folgen. „Ich habe keine Ahnung, aber diesen Eindruck hatte ich", sagte Aicha verunsichert. Ansor-Kybb-Romal erschien in der Epha-Zentrale, die man Aicha und ihrer Gruppe zugeteilt hatte, und erkundigte sich barsch: „Warum hast du den Flug abgebrochen, Aicha?"
„Aicha erklärte ihm den Grund. Ansor-Kybb-Romals Unmut verflog. „Du hast in den Hyperraum geblickt", sagte er. „Jetzt versuche, in ihn vorzudringen." Aicha unternahm einige vergebliche Versuche, aber schließlich schaffte sie ihre erste Hyperraum-Etappe. Diese war nur sehr kurz, weil es überaus kräfteraubend war, sich in diesem neuen Medium fortzubewegen. Doch Aicha lernte rasch, ihre Kräfte und die ihrer Quellen auch in dieser neuen Dimension zu entfalten. Es war insgesamt dennoch anstrengender, sich durch den Hyperraum zu bewegen als durch den normalen Raum. Dennoch merkte sie, dass jeder neue
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