2234 - Expedition ins Ungewisse
...
Tiff hielt Imberlocks Bekenntnisse zum Rechtsstaat in dieser Hinsicht für reine Augenwischerei.
Bre hatte in der Zeit ihrer Haft vier Kilo abgenommen, bei guter Verpflegung und ausreichender sportlicher Betätigung. Etwas schien langsam die Energien ihres Körpers zu verzehren, ohne dass die Messgeräte eine Ursache fanden.
Vielleicht hätten wir Gaur zu ihr lassen sollen, dachte Tiff. Gaur war Bres Sohn. Nein, es ist bestimmt besser, wir warten noch eine Weile.
Mondra Diamond vermutete, dass Bre Tsinga den eigenen Sohn nicht wiedererkannte, so fremd war sie sich selbst geworden. Einer solchen Konfrontation wollte sie den jungen Mann nicht aussetzen.
Tiff schaltete den Monitor ab. Er wandte sich an Maurenzi Curtiz. Der Erste Terraner blickte noch immer auf den inzwischen leeren Bildschirm. „Manchmal möchte ich mit der bloßen Faust dreinschlagen", sagte der LFT-Außenminister.
Curtiz starrte ihn erschrocken an. „Tiff, wie kannst du ..."
„Das kann ich dir ganz genau erklären", fiel er dem Ersten Terraner ins Wort. „Es liegt auf der Hand, dass diese Organisation kriminelle Ziele verfolgt. Und was tun die Behörden? Sie unternehmen nichts."
„Das stimmt nicht, und du weißt das, Tiff."
„Beobachtung ist noch lange keine Prävention. Wie hoch, glaubst du, ist die Zahl der Anhänger Gon-Orbhons, die ein Attentat planen, ohne dass Imberlock etwas davon weiß?"
Maurenzi zuckte hilflos mit den Schultern. Er wusste es ebenso wenig wie alle anderen Menschen auf Terra. „Hier!" Tiff fischte nach einer Folie mitten im gewaltigen Stapel und hielt sie dem Ersten Terraner herausfordernd unter die Nase. „Die Zahl der Anhänger Gon-Orbhons nimmt mit jeder Minute zu.
Inzwischen sind es Millionen. Irgendwann bilden sie die Mehrheit der terranischen Bevölkerung. Wenn es so weitergeht, bleiben uns nur noch ein paar Monate, bis es so weit ist. Wir haben keine Zeit, die Hände in den Schoß zu legen."
Heerscharen werden aus der Schwärze kommen, aus der Tiefe des Alls, wiederholte er in Gedanken eine Textstelle aus dem Buch Gon.
Tiff hatte keine Lust, diesen Tag zu erleben. Er musste an die Horden von Garbesch denken und an die Flotten der Tolkander - und ob die Heerscharen Gon-Orbhons schlimmer oder weniger schlimm werden würden.
Wahrscheinlich, bei ihrem Glück, schlimmer. Die Progression der Gefahr, dachte er betrübt. „Demokratie, die nicht wehrhaft ist, die dem anderen jede erdenkliche Möglichkeit einräumt, den Rechtsstaat zu vernichten, führt sich selbst ad absurdum", sagte Tiff laut. „Der Spruch >Wehret den Anfängen< besitzt nicht umsonst eine Tradition, die so alt wie der Humanismus auf unserem Planeten ist."
„Es ist ein sehr frommer Wunsch, Tiff."
Natürlich wusste Julian Tifflor genauso gut wie der Erste Terraner, dass sie dadurch Anschläge nicht vollständig ausschließen konnten. Insbesondere Selbstmordattentäter ließen sich dadurch kaum beeindrucken. Aber alle anderen sehr wohl. Je stärker der psychologische Druck war, den sie ausübten, desto weniger Attentäter würden zur Tat schreiten -hoffte er. „Ich werde Noviel Residor bitten, schärfer gegen Imberlocks Gemeinschaft vorzugehen", fuhr der Außenminister fort. „Also gut. Ich bin einverstanden." Curtiz seufzte. „Entschuldige mich jetzt, ich muss in die Parlamentssitzung." Der Erste Terraner machte sich auf den Weg.
Kaum war er gegangen, traf Mondra Diamond ein. Der ansonsten meist unvermeidliche Zwergelefant Norman war diesmal nicht bei ihr; sie brachte einen Holowürfel, in dem Aufnahmen vom so genannten Tempel der Degression gespeichert waren. Wortlos legte Perry Rhodans ehemalige Gefährtin ihn auf den Schreibtisch und aktivierte die Projektionssequenz. „In wenigen Tagen ist er fertig gestellt", sagte sie mit dunkler Stimme. „Das Ding sieht von Mal zu Mal hässlicher aus."
Tiff musterte die dreidimensionalen Darstellungen mit verkniffenem Gesicht. Es handelte sich um eine nachtschwarze Halbkugel mit Hunderten unterschiedlich langer Stachel. Den eingeblendeten Daten nach lag der Durchmesser des Gebildes bei 98 Metern, die Höhe des zentralen Turms betrug 88 Meter.
Der Tempel ähnelte einem Igel. Im Stadtbild Terranias stellte er architektonisch einen Fremdkörper dar, doch eine ähnliche Bauweise kannte man in der Galaxis dennoch: Die Tolkander waren in Raumschiffen ähnlichen Designs in die Milchstraße gekommen und hätten sie beinahe vollständig vernichtet „Tolkanderbrut", knurrte er
Weitere Kostenlose Bücher