2242 - Letoxx der FÀlscher
Top-Klappe blinkte bei 589 Nanometer: Gelb stand für Alarm.
Von außen war kein Problem zu erkennen, doch das hieß nicht, dass es keines gab.
„Öffnen!", wies er die Techniker an.
„Aber wir können nicht..."
„Macht es auf, verdammt!"
Die Vierer lösten die Klappen des Containers.
Letoxx beugte sich behutsam über die Öffnung. Das Gel, das den Schaumopal im Inneren umgab, roch seltsam – und es hatte sich verflüssigt. Letoxx sah, dass einige Tropfen in der Flüssigkeit Kontakt miteinander bekamen. Die Farbe der Substanz dunkelte nach, während er zusah. Eine ihm unbekannte chemische Reaktion; in einem Container voller Schaumopale!
Notfall-Programme existierten für praktisch jede Eventualität. Aber nicht für diese.
Letoxx aktivierte den Sender seiner Modul-Arme und gab Vollalarm. Für das Landefeld, für die gesamte Anstalt, egal ob er die Befugnis hatte oder nicht.
Über das Feld schepperte ein intermittierender Warnton. Ein Dutzend Traponder, kilometerweit im Umkreis, hob binnen zwei Minuten ab und donnerte Richtung Orbit. Schutzschirme kapselten das Areal ab, durchbrochen nur von den Strukturlücken, die der Massenstart erforderte. Aus den Bunkerposten rasten Gleiter, mit Robkriegern in den Rümpfen, und schwärmten über das Gelände aus.
„Ich berge den Opal von Hand", kündigte er den Vierern an. Seine Stimme zitterte. „Ich brauche ein paar Packen Zellstofftücher. Besorgt so schnell wie möglich einen Tank mit Ersatzgel."
Letoxx dachte daran, die Flüssigkeit abzupumpen, doch er scheute das zusätzliche Risiko, das damit verbunden war.
Ein keuchender Vierer kam mit einem Behälter Zellstoff. Letoxx nahm ein Tuch und tauchte mit seiner Prothese in die Flüssigkeit.
„Erkennst du alles, Herr?"
„Wie denn wohl?", schnauzte er zurück.
Er bekam nichts zu fassen.
Letoxx klappte schließlich auf Trakensicht, und das Strahlenfeuer von Schaumopal stach mit ungeheurer Intensität in sein Gesicht, wie eine Röntgenquelle. Helft mir, ich halte das nicht aus! Der Schmerz brannte ihm schier das Hirn weg.
Letoxx hörte sich keuchen, die Augen nutzlos aufgerissen. Doch am Ende brachte er das Zittern der Prothesen unter Kontrolle.
Er biss die Zähne aufeinander und tauchte noch mal ein. Behutsam fischte er durch die Flüssigkeit, ein Gedanke immer bei der drohenden Verflüchtigung, und nach wenigen Sekunden hatte er mit der Sensorik das erste Tröpfchen.
Letoxx übte den geringsten Druck aus, den die Greifer des Modul-Arms produzieren konnten. Der Tropfen kam in Zellstoff hoch, ohne dass etwas passierte.
Letoxx legte das Tuch offen hin.
Der zweite.
Der dritte.
Nach wenigen Minuten hatte er fast die gesamte Ladung. Die Flüssigkeit war schwarz geworden, sie roch stark ätzend, und er konnte froh sein, dass seine Arme aus korrosions- und säurebeständigem Metall waren.
Die Katastrophe ereignete sich im letzten möglichen Moment. Der letzte Tropfen Schaumopal – in der hintersten Ecke des Containers.
Irgendwas geschah plötzlich.
Durch sein Bewusstsein zuckte ein Blitz, Terabit Datenmüll, alles ungültig formatiert. Deflagration .... In Trakensicht war das Universum ein Funkensturm.
Er fühlte sich schwerelos und wie mit einem Antigrav zehn Meter in die Luft gedrückt.
Die restlichen Tropfen lagen noch unten, er sah sie im Bruchteil einer Sekunde, und er betete, dass es nicht zu einer Kettenreaktion kam.
Seine Modul-Arme brannten durch. Eine Fehlschaltungskette pflanzte sich fort bis kurz vor die Schultermanschetten..
Letoxx sah die Sonne, den Boden, ein Wirbeln – und dann gar nichts mehr.
*
Ein süßer Fäulnisgeruch war das Erste, was er wahrnahm, als er zu Bewusstsein kam. Er befand sich in der Krankenmechanik. Und immerhin, er war am Leben. Die Kettenreaktion hatte nicht stattgefunden. „Letoxx, bist du jetzt wach?"
Die Stimme gehörte Aardu Errocchu, und er erkannte jetzt auch den Geruch wieder.
„Ich habe Order vom Eins-Katalog, dich zu belobigen. Er kann selbst nicht kommen, er hat... äh ... zu tun."
Eine Plane bedeckte Letoxx' Körper. Er wollte den Stoff zur Seite schieben und sich aufrichten, doch der Griff ging ins Leere.
Er hatte keine Arme mehr.
Errocchu bleckte schadenfroh die Zähne, als er die Bewegung sah.
„Von der Verlademannschaft hat keiner überlebt, außer dir. Ein mentaler Schock, nehmen wir an; wir hatten ein paar Todesfälle, selbst in der Anstalt. Der Vorgang hat genau im Zentrum offenbar eine Art >Auge< ausgebildet; in dem warst
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