2265 - Die Krone von Roewis
des besten Fleisches übrig zu lassen. Die Reste einer jeden Mahlzeit werden gesammelt und in riesigen Containern hierher verbracht."
Er deutete mit dem Arm nach vorne in das Halbdunkel. „Seht ihr? Es geht los. Früher, in barbarischen Zeiten, waren es Sträflinge, die diese Arbeit verrichteten. Nicht wenige starben dabei, zerrissen von den Tentzen. Heute passiert alles vollautomatisiert. Bemerkt ihr das dünne Pfeifen? Ja, ich weiß, dass es unangenehm ist. Völker wie die Perlians würden es gar nicht wahrnehmen - aber unser Gehör ist besser. Haltet euch die Ohren zu, wenn es schlimmer wird. Es schmerzt vor allem im Kopf. Da! Nun werden die Reste ausgeleert, und sie kommen herbeigeströmt. Zu Hunderten. Zu Tausenden. Stopft euch die Finger tief in die Gehörgänge, wenn es zu viel wird ..."
Kiula lief als Erste davon; Ebharsch folgte kurz darauf, und auch Lisch war dankbar, als das Pfeifen und Schmatzen hinter ihm leiser wurde. Es klingt noch immer so wie damals, als das Königsexemplar Ebenzer zerriss.
Sein Multi-Armband gab einen Fiepton von sich. Lisch kannte das Signal. Der Patriarch, sein Brötchengeber, wollte ihn sprechen. Er aktivierte Ton und Bild. „Was gibt's?", fragte er mürrisch. „Wir bekommen Gäste", sagte Tadh Al Arroin. „Besondere Gäste. Ich möchte, dass sie alle Annehmlichkeiten erhalten, die die Krone zu bieten hat."
„Überraschungsgäste?", fauchte Lisch. „Jetzt, während des Kongresses? Du machst dich über mich lustig! Sie können von mir aus in einer Besenkammer übernachten und sich die Abfälle mit den Tentzen teilen."
„Du wirst dafür sorgen, dass sie alles zu ihrer Zufriedenheit vorfinden", befahl der Patriarch mit leiser Stimme, „sonst schere ich dir den Kopf. Du vergisst „offensichtlich, wer hier das Sagen hat."
Nein, dachte Lisch Entber, das vergesse ich nicht. Denn ich weiß es - im Gegensatz zu dir. „Ich erledige, was zu tun ist", schnappte er und beendete abrupt die Übertragung.
Er nahm die ohnmächtig gewordene Kiula in die Arme und befahl einen Robo herbei, der Ebharschs Erbrochenes wegputzen sollte. Bevor die Tentzen es fanden.
7.
Reginald Bull War er bereits einmal auf Roewis gewesen? Er wusste es nicht.
Andere Unsterbliche waren mit der einen oder anderen Form eines perfekten Gedächtnisses ausgestattet. Atlan, Homer G. Adams oder Icho Tolot behielten das, was sie einmal erlebt oder gehört hatten, für alle Ewigkeiten im Kopf.
Reginald Bull hingegen besaß die Gnade des Vergessens.
Natürlich konnte er sich an die wichtigsten Stationen seines langen Lebens erinnern, als wären sie erst gestern passiert. Der Weg ins Weltall hatte viele markante, einprägsame Stationen gehabt. Viele Erinnerungen, vor allem jene an ruhige Zeiten, waren hingegen weg. Ausgelagert, um Neuem Platz zu machen.
Aber das Gedächtnis spielte nicht immer so mit, wie er es wollte. Der Schatten Bostichs, des arkonidischen Herrschers, ragte stets drohend vor ihm hoch. Wie ein Mahnmal an alles Schlechte, was ihm jemals widerfahren war.
Bully ballte die Hände. Ausgerechnet dieser Schweinehund trägt die Unsterblichkeit in sich, verliehen von der Superintelligenz ES! „Ich brauche nicht in deinem Kopf zu schnüffeln, um zu wissen, was du denkst", sagte Gucky leise.
Er hatte sich telekinetisch hochgehoben und flüsterte Bull ins Ohr: „Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam, speziell bei uns Unsterblichen. Aber ich bin mir sicher, dass sie mahlen."
„Was macht dich so sicher?", fragte der Residenz-Minister. „Die Hoffnung", entgegnete der Mausbiber. „Sonst hätte ich längst aufgegeben."
Bully lächelte. „Es gab Zeiten, da stellte ich mir die Frage, was mich ausgerechnet zu einem lebendig gewordenen Fellknäuel hinzog.
So sehr, dass ich es seit Jahrtausenden meinen engsten Freund nenne. Irgendwann wusste ich plötzlich, dass es nichts mit den Spielchen zwischen diesem verrückten Wesen und mir zu tun hatte und schon gar nicht mit seinen telekinetischen Tollheiten."
„Sondern?" Gucky schwebte langsam vor sein Gesicht. „Es sind Momente wie diese", entgegnete Bull. „Wenn du die richtigen Worte zur richtigen Zeit findest." Er lächelte und kraulte den Mausbiber im Nacken.
Zwei tiefe Atemzüge später beherrschte das Tagesgeschäft wieder das Geschehen. „Wie lange bis zur Landung?", fragte Bully Ushuda Indrali, die Kommandantin des Beiboot-Kreuzers UNICORN. „Eine knappe Stunde", entgegnete sie. „Es herrscht heftiger Orbit-Verkehr, und ich
Weitere Kostenlose Bücher