0457 - Jagd nach dem Templer-Gold
Der Tod war ihm auf den Fersen!
Gisbert Neumann konnte es noch immer nicht fassen. Es war einfach zu unbegreiflich. Wenn er das jemandem erzählt hätte, man hätte ihn ausgelacht oder in eine psychiatrische Klinik gesteckt.
Aber es stimmte. Es war so fürchterlich, so unheimlich, daß ihm nur eines geblieben war.
Die Flucht!
Fort aus dieser Gegend, wo das Grauen lauerte, das von ihm geweckt worden war. Er verfluchte sich selbst, weil er seinen Wagen so weit entfernt abgestellt hatte, daran war nichts mehr zu ändern.
Er mußte das Fahrzeug erreichen, noch bevor es ihn erwischte.
Mit langen Schritten jagte er durch das Gelände. Den Steinbruch hatte er zum Glück hinter sich gelassen. Wie ein Tier war er auf allen vieren den steilen Hang hochgekrochen, dann über die freie kiesige Fläche gehetzt und in den Wald eingetaucht, der jetzt zum Glück hinter ihm lag. Vor ihm befanden sich die Wiesen und Felder, weit im Westen sah man tagsüber die Berge des Odenwalds, doch sie waren in der Nacht nicht mal als Schatten zu erkennen, obwohl ein klarer, mit Sternen übersäter Nachthimmel wie ein prächtiges Gemälde wirkte.
Neumann beeilte sich noch mehr. Er wunderte sich selbst, woher er die Kondition nahm, aber die Angst weckte Kräfte in ihm, die er bisher nie für möglich gehalten hätte.
Der Tod war immer schlimm, das wußte er genau. Aber so wie er umkommen sollte, war es einfach fürchterlich.
Es hatte lange nicht mehr geregnet. Der Boden war trocken, an einigen Stellen, wo kein Gras wuchs, sogar staubig. Über einen kleinen Bach mußte er hinwegspringen, verschätzte sich mit der Entfernung und bohrte seine Füße in den schräg ablaufenden Bachhang.
Neumann kippte nach hinten, landete im Wasser, wühlte sich wieder hoch und kümmerte sich nicht um den Schlamm und die feuchte Algenschmiere, die an seiner Kleidung hing.
Sein Leben war ihm wichtiger.
Über einen Feldweg rannte er weiter, in den Traktoren tiefe Rillen gegraben hatten. Manchmal unterschiedlich hoch, auch mit Querrillen und Rinnen versehen, so daß Gisbert achtgeben mußte, nicht zu stolpern.
Die Strecke hatte er sich eingeprägt. Er würde bald eine Stelle erreichen, wo sich zwei Feldwege kreuzten. Der eine davon führte auf die asphaltierte Straße, und die wollte er fahren. Bis zur Autobahn brauchte er nicht mehr, obwohl er in Heidelberg Bescheid geben wollte, aber das konnte er auch telefonisch erledigen.
Allmählich merkte er die Schwäche. Es fiel ihm immer schwerer, seine Beine zu heben. Irgendwann sind auch die letzten Kraftreserven bei einem Menschen aufgebraucht.
Neumann hätte sich übergeben können. Vor seinen Augen bewegte sich die Umgebung. Der Feldweg verwandelte sich in ein tanzendes Band, das sich durch abgeerntete Stoppelfelder wand. Weiter rechts schaukelte der Wald hin und her.
Neumann konnte nicht mehr. Ohne es eigentlich zu wollen, fiel er in einen langsameren Lauf, so daß er schließlich nur mehr im Schrittempo weiterging.
Bei jeder Bewegung nickte sein Kopf auf und ab. Wenn er einatmete, schmerzten seine Lungen. Die Beine schienen mit schwerem Metall gefüllt zu sein, die verschmutzte Kleidung klebte am schweißüberströmten Körper. Als er den Schatten sah, schrie er plötzlich auf, bis er einen weiteren Schritt tat, gegen den Schatten fiel und feststellte, daß seine tastenden Hände über Blech fuhren.
Allmählich wurde ihm klar, daß er auf dem Schrägheck seines Autos lag.
Gisbert schluchzte vor Erleichterung. Er hatte es geschafft. Er war dem Grauen entwischt.
Endlich…
Wie ein gebrechlicher Mensch tastete er sich am Wagen entlang zur rechten Fahrerseite hin. Er atmete nicht, er keuchte. Seine Beine weigerten sich, das Gewicht des Körpers zu tragen, die Arme waren ebenfalls schwer, und seine Finger suchten vergeblich in der rechten Tasche der Jeans nach den Autoschlüsseln.
Bis ihm einfiel, daß er sie in seine linke Jackentasche gesteckt hatte, dauerte es fast eine halbe Minute. Dann vernahm er das helle Klimpern der Schlüssel und atmete auf.
Das Türschloß fand er natürlich auch nicht so schnell. Er war noch viel zu erschöpft und hektisch, doch als er schließlich hinter dem Steuer saß und die Hände vor sein Gesicht geschlagen hatte, schüttelte ihn die Freude durch.
Er hatte es überstanden!
Mein Gott, wenn er von seinem Fund berichtete, würde dies einen sagenhaften Staub aufwirbeln. Dann strömten die Reporter in Scharen herbei, und ausgerechnet er, Gisbert Neumann, ein Archäologe,
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