228 - Crows Schatten
und seine Leute.
»Warum haben Sie uns nicht darüber informiert?«, empörte sich Rev’rend Rock mit knabenhaft hoher Stimme.
»Ihr hab uns ja nicht gefragt«, sagte Trashcan Kid gelangweilt. Er hatte inzwischen seinen Dolch ausgepackt und ritzte irgendwelche Zeichen in seine Holzprothese. Die Originalhand hatte ihm während der Schlacht mit den Rev’rends ein Horsay abgebissen und gefressen. »Dutzende unserer Leute sind schon in eurem Viertel verschwunden und nicht mehr aufgetaucht.« Trashcan Kid war weißhäutig. Dunkles Haar quoll ihm unter dem rostigen Eisenhelm hervor wie Drahtwolle. Wie meist trug er kniehohe Lederstiefel, einen gesteppten Lederharnisch und auf dem Rücken sein Kurzschwert.
»Ungeheuerlich, uns des Mordes zu verdächtigen!«, flötete Rev’rend Rock. »Diese Brüder und Schwestern kamen freiwillig, um sich zum HERRN zu bekehren und auf göttlichem Territorium zu leben!«
Der erste Sekretär der Gottesstaat-Enklave war auf beeindruckende Weise übergewichtig und fast so groß wie Rev’rend Torture. Lange drahtige Locken und ein mächtiger Bart verliehen ihm den Ausdruck einer Sagengestalt aus den goldenen Zeiten vor »Christopher-Floyd«. Diese Figur trieb damals auch in Nordamerika ihr Unwesen und versteckte angeblich Kindern an bestimmten Tagen des Jahres farbige Vogeleier und andere Geschenke in Stiefeln oder bunten Tüten.
»Wenn ich alles richtig verstanden habe, hat man dem bedauernswerten Clash ein Gewehr geraubt.« Dr. Alexandra Cross, die Präsidentin der WCA, ergriff das Wort und zog fragend die Brauen hoch.
»So ist es«, bestätigte Rev’rend Rock.
»Was Sie nicht sagen!« Kritisch musterte sie einen Rev’rend nach dem anderen. »Die Verträge gestatten Ihnen zwar, sich frei und übrigens auf eigene Gefahr in unserer Stadt zu bewegen, doch sie verbieten Ihnen bei dieser Gelegenheit Waffen zu tragen!«
»Als Verantwortlicher für die Sicherheit in dieser Stadt muss ich aufs Schärfste protestieren!« Diego Garrett, General der WCA-Streitmacht, schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie können Sie es wagen, unser Territorium mit Waffen zu betreten!«
»Was für eine unverschämte Frage!«, tönte Rev’rend Rage. »Jeder Halbwüchsige läuft bei Ihnen mit Waffen herum!« Sein zorniger Blick traf Trashcan Kid. »An jedem Marktstand sind Waffen zu kaufen, und sie wollen uns das Tragen unserer Waffen verbieten?!«
»Du hast den Wisch unterschrieben, Luder«, knurrte Trashcan Kid, »also spiel dich nicht so auf!«
Rev’rend Torture machte einen Satz, als wollte er Trashcan über den Tisch hinweg anspringen, doch Rev’rend Sweat schnellte aus seinem Sessel, hielt den Inquisitor bei der Schulter fest und donnerte mit seiner Bassstimme: »Im Namen des HERRN! Ich fordere mehr Respekt vor unserem Erzbischof!«
Bischof Rev’rend Sweat hatte schwarze Haut und kein einziges Haar auf dem Schädel. Wie immer trug er einen schwarzen Zylinder und eine Art schwarzen Lederponcho. Auf dem Poncho und dem Zylinder prangten weiße Kreuze.
»Wer einen Diener des HERRN beleidigt, beleidigt den HERRN!«, donnerte er. »So etwas wird nicht ungestraft bleiben!«
Trashcan Kid steckte seinen Dolch weg, stand auf und zog sein Kurzschwert aus der Rückenscheide. »Willst mir drohen, Zylindermann?«
»Setz dich, Trashcan«, sagte Black mit ruhiger Stimme. »Setz dich einfach und entspann dich wieder.«
Rev’rend Rage hatte beschwichtigend seine Hand auf den Arm seines Stellvertreters gelegt. »Es ist gut, Bruder«, sagte er mit vor Zorn bebender Stimme. »Der HERR wird ihn dafür zur Rechenschaft ziehen.« Der schwarze Gottesmann setzte sich. Rev’rend Rage beugte sich über den Tisch, deutete mit dem Zeigefinger abwechselnd auf Mr. Black und Dr. Cross. »Sie werden mir die Zeugen nennen, damit wir sie befragen können.« Er sprach gefährlich leise. »Und was die Waffen betrifft: Wir sind Rev’rends. Wissen Sie überhaupt, was das bedeutet? Wir sind Gotteskrieger! Unser Leben ist ein einziger Kampf für den HERRN! Wir können unmöglich ohne Waffen unterwegs sein! In keiner Stadt und auf keiner Straße dieser sündigen Welt!«
»Warum hast du dann unterschrieben, Luder?«, fragte Trashcan Kid. »Du hast doch nicht schon bei der Unterschrift daran gedacht, vertragsbrüchig zu werden?« Er grinste den Rev’rend an. »Sag bloß, du bist auch nur ein durchschnittliches Schlitzohr!«
Diesmal sprang neben Rev’rend Sweat auch Rev’rend Torture auf. »Dafür breche ich dir jeden
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