2306 - Die Kristallbörse
Pest!
„Jetzt lässt er sich blicken", sagte Rubahl, als ein Schatten in der Wandöffnung erschien.
„Wenn er Mumm hat", knurrte Tugasha. Jorgas stieß sie mit dem Ellbogen in die Seite.
Der Kämmerer betrat den Raum. Die Gardisten, auch die im Rücken der Springer, salutierten tatsächlich. Der Mann – falls es einer war – blieb kurz stehen, sah sich um und nickte. Die Uniformierten nahmen wieder normale Haltung an, und er schritt mit energischen Bewegungen zu dem Sessel hinter dem Podestpult.
Es stimmte also. Er hatte ein über der Brust geschlossenes, golden schimmerndes Cape an und versteckte sein Gesicht hinter einer weißen Maske mit erhabenen, klassischen Zügen.
Warum?, fragte sich Jorgas, der sich dadurch nicht beeindrucken ließ. Was hatte er zu verbergen? Oder wollte er mit seinem Mummenschanz nur Angst einjagen? Dann war er bei ihm an der richtigen Adresse.
„Ich verlange ...", begann der Patriarch, aber der Kämmerer brauchte nur eine Geste, um ihn zur Ruhe zu bringen. Und um ein zweites Mal anzusetzen, blieb Jorgas überhaupt keine Zeit.
Der Kämmerer forderte sie nicht erst zum Setzen auf. Er verlas nicht ihre Namen, belehrte sie nicht über ihre Rechte – falls sie solche hatten –, sondern kam sofort zum Punkt.
„Die Etoto-Sippe aus dem Volk der Mehandor-Springer ist des versuchten Kristallbetrugs angeklagt", sagte eine Stimme, die so energisch klang wie die ganze Erscheinung des Kämmerers, aber tatsächlich an die eines primitiven Roboters ohne ausgefeiltes Sprachmodul erinnerte. „Als Beweis wurde die angebliche Khalumvatt-Probe sichergestellt und von meinen Spezialisten untersucht. Es handelt sich um Howalgonium mit einer Beimischung aus wertlosem rotem Quarz.
Es wurde festgestellt, dass im Schiff der Sippe insgesamt 1,6 Tonnen dieses Howalgoniums lagern, was die Vermutung nahe legt, dass nicht nur einmal ein Kristallbetrug versucht werden sollte."
„Das ist eine Unterstellung!", brauste Jorgas auf. „Dafür gibt es keine Beweise!"
„An den Haaren herbeigezogen!", rief Tugasha. „Sofern du überhaupt so etwas wie richtige Haare hast, du maskierter Mistkerl!"
Der Kämmerer hob eine Hand und erhob sich wieder aus dem Sessel, in dem er sich gerade erst niedergelassen hatte. „Ein versuchter Kristallbetrug reicht aus, um das Urteil über euch zu fällen. Ihr wurdet einwandfrei überführt. Ich spreche euch schuldig. Das Urteil lautet: Verweis und Verbannung von LEprachtvoll auf Lebenszeit. Ihr werdet die Plattform sofort verlassen und nie wieder einen Fuß an Bord der Kristallbörse setzen. Die Garde wird euch zurück zu eurer Walze bringen."
Damit wandte er sich um und ging.
„Das ... kann er nicht machen!", platzte es aus Tugasha heraus. Sie lachte hilflos, stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich zu ihren Brüdern und Jorgas um. „Was steht ihr da und haltet Maulaffen feil? Der ... der Kerl hat nicht das Recht, so mit uns umzuspringen! Was bildet der sich ein?
Er hat nicht einmal die Arkoniden befragt, geschweige denn uns!"
Doch hinter dem Kämmerer und den beiden Uniformierten hatte sich die Wand schon wieder geschlossen. Die Gardisten, die sie hierher geführt hatten, zogen ihre Strahlwaffen und richteten sie auf die fünf Springer.
„Ich könnte ihm mit bloßen Händen den Hals umdrehen", knurrte der Patriarch. „Aber er kann es, Tochter. Er kann hier alles tun, was er will. Aber ich schwöre euch, der sieht uns nicht wieder! Doch hören – hören wird er noch von uns!"
„In einem anderen Leben", sagte einer der Gardisten und winkte mit dem Lauf der Waffe. „Abmarsch, die Herren, die Dame."
*
D. Manning Ostro war ein Killer. Er arbeitete allein. Niemand außer seinem jeweiligen Auftraggeber hatte ihm etwas zu sagen. Er war von keinem Menschen abhängig, er war sein eigener Herr. Und wer ihn engagierte, musste dafür gut bezahlen. Ostro tötete für Geld, viel Geld. Diesem Götzen hatte er sein Leben geweiht. Er hatte es auf die verschiedensten Weisen versucht und herausgefunden, dass er seine Gier nur auf die eine Art stillen konnte – nämlich indem er das tat, wovon er am meisten verstand.
Jetzt allerdings war er im Zweifel.
Der korpulente, 77-jährige Plophoser, einen Meter siebzig groß, hellblonde Haare, graugrüne Augen, betrachtete versonnen das kleine Handfunkgerät in seiner Hand. Er saß in seiner Kabine und hatte die Beine übereinander geschlagen. Noch war es ein Funkgerät, ein handliches, sauberes und vor allem legales
Weitere Kostenlose Bücher