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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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das kam ihr zu geziert vor. Eines der Porträts schaute finster drein, ein anderes versuchte, ein ironisches kleines Lächeln zu unterdrücken; sie waren der gleichen Meinung wie Swan, nämlich dass sie mit einer stocksteifen alten Kröte hier draußen war. Mqaret hatte gesagt, dass Alex diesen Mann verehrt hätte, aber inzwischen bezweifelte sie, dass das wahr sein konnte. Wer war er, was war er?
    Eine gedämpfte Ansage informierte sie darüber, dass sie bald zurück in die Tram nach Terminator einsteigen mussten. Die Stadt würde in Kürze auf ihrem Längengrad eintreffen – genau wie die Sonne. »O nein!«, rief Wahram leise aus, als er die Durchsage hörte. »Wir haben doch gerade erst angefangen!«
    »Hier gibt es über dreihundert Gemälde«, bemerkte Swan. »Ein Besuch reicht nie. Sie werden noch einmal kommen müssen.«
    »Das hoffe ich«, antwortete er. »Die sind wirklich großartig. Ich verstehe, warum man ihn Il Furioso nannte. Er hat wahrscheinlich jeden Tag gearbeitet.«
    »Ich glaube schon. Er hat sein Haus in Venedig nur selten verlassen. Eine geschlossene Werkstatt. Als Gehilfen hatte er vor allem seine eigenen Kinder.« Das hatte Swan gerade in einem der Begleittexte gelesen.
    »Interessant.« Mit einem Seufzer folgte er ihr zur Tram.
    Auf der Fahrt zurück zur Stadt kamen sie an einer Gruppe Sonnenläufer vorbei. Als Swan auf sie zeigte, erwachte ihr Gast aus seiner Andacht und schaute hinaus.
    »Sie müssen also in Bewegung bleiben«, sagte er. »Wie ruhen sie sich aus, wann essen und schlafen sie?«
    »Wir essen im Gehen und schlafen in Karren, die unsere Gefährten ziehen«, sagte Swan. »Dabei wechseln wir uns ab, und so geht es weiter.«
    Er warf ihr einen Blick zu. »Also werden sie ständig angetrieben. Ich verstehe, warum das seinen Reiz hat.«
    Sie hätte fast gelacht. »Brauchen Sie einen solchen Antrieb?«
    »Ich glaube, alle Menschen brauchen einen solchen Antrieb. Sie nicht?«
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    »Aber Sie begleiten diese Wilden«, sagte er.
    »Nur um der Sache willen. Um das Land und die Sonne zu sehen. Ich schaue nach meinen Skulpturen und baue hier und da etwas in den Spalten ab. Ich muss mir keinen Grund suchen, um mich beschäftigt zu halten.«
    Sie redete nicht weiter, als ihr mit einem Mal klar wurde, dass es sich in Wirklichkeit genau andersherum verhielt.
    »Sie haben Glück«, sagte er. »Die meisten Menschen müssen genau das tun.«
    »Meinen Sie?«
    »Ja.« Er deutete auf die Sonnenläufer, die schnell hinter ihnen zurückblieben. »Was passiert, wenn man auf ein Hindernis stößt, das einen daran hindert, weiter westwärts zu gehen?«
    »Um solche Hindernisse muss man einen Bogen machen. An manchen Stellen haben die Leute kleine Rampen angelegt, die Steilhänge hochführen, oder Pfade, auf denen man schnell durch chaotisches Gelände kommt. Es gibt gängige Routen. Manche Leute halten sich an eine davon, manche gehen alle ab. Andere erkunden lieber neues Gelände. Es ist üblich, den Planeten einmal zu umrunden.«
    »Haben Sie das getan?«
    »Ja, aber es dauert mir zu lange. Normalerweise gehe ich für ein oder zwei Wochen raus.«
    »Ich verstehe.«
    Es war ziemlich offensichtlich, dass er das nicht tat.
    »Wir sind dazu geschaffen, wissen Sie«, sagte sie unvermittelt. »Unsere Körper sind die von Nomaden. Menschen und Hyänen sind die beiden Raubtiere, die ihre Beute hetzen, bis sie erschöpft ist.«
    »Ich gehe auch gerne zu Fuß«, räumte er ein.
    »Und was ist mit Ihnen? Wie verbringen Sie Ihre Zeit?«
    »Ich denke«, antwortete er ohne Zögern.
    »Und das genügt Ihnen?«
    Er warf ihr einen Blick zu. »Es gibt eine Menge Dinge, über die man nachdenken kann.«
    »Aber was machen Sie?«
    »Ich lese wohl. Reise. Höre Musik. Schaue mir visuelle Kunstwerke an.« Er überlegte. »Ich arbeite am Titanprojekt, was ich sehr interessant finde.«
    »Und laut Mqaret arbeiten Sie auch in der übrigen Saturn-Liga. System-Diplomatie.«
    »Tja, bei der Lotterie ist mein Los gezogen worden, und ich musste meine Zeit absitzen, aber das ist jetzt fast vorbei. Danach will ich auf den Titan zurückkehren und wieder in meinen Waldo steigen.«
    »Und – woran haben Sie und Alex gearbeitet?«
    Ein erschreckter Ausdruck trat in seine Glupschaugen. »Tja, bei einigen Sachen hätte sie nicht gewollt, dass ich darüber rede. Aber sie hat viel von Ihnen gesprochen, und jetzt, wo sie fort ist, dachte ich einfach, dass sie Ihnen vielleicht eine Nachricht hinterlassen hat. Oder

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