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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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die Ereignisse des Jahres 2312 lassen vermuten, dass sich im 24. Jahrhundert ein Wandel vollziehen wird.

IAPETUS
    Iapetus ähnelt einer Walnuss, denn er ist an den Polen eingedrückt und hat eine deutliche Erhebung rund um den Äquator, und beides ist aus dem All deutlich erkennbar. Warum er an den Polen eingedrückt ist? Irgendwann ist er mal geschmolzen und hat sich in einen großen Wassertropfen verwandelt, der so schnell rotierte, dass seine Tage nur siebzehn Stunden hatten; etwas ist an ihm vorbeigeflogen und hat ihn wie einen Kreisel in Bewegung versetzt. Noch in der Drehung ist er wieder gefroren. Und woher kommt die Erhebung am Äquator? Das weiß man nicht. Es hat irgendetwas damit zu tun, wie der Wassertropfen zu einer Eiskugel gefroren ist, da sind sich die meisten einig, irgendeine Art Auswurf oder Überschuss. Jedenfalls streiten die Saturnologen sich bis heute darum.
    Was auch immer diese Erhebung verursacht hat, sie bot sich natürlich als offensichtlichster Standort für eine Stadt an, da sie zugleich als Hauptstraße fungieren konnte, die einmal um den Mond herum verlief. Die Stadt erstreckte sich zunächst vor allem über die dem Saturn zugewandte Hemisphäre, wo der Gasriese viermal so groß wie Luna über der Erde am Himmel hängt. Man war der Meinung, dass die Aussicht es allemal wert wäre, insbesondere, da Iapetus’ Umlaufbahn einen Neigungswinkel von 17 Grad zu den Ringen des Saturn aufweist, wodurch man von dort aus einen sich ständig wandelnden Blick auf dieses atemberaubende Schauspiel hat. Von fast allen anderen Monden aus kann man nur auf den Rand der Ringe blicken. Außerdem kann man von der Erhebung weit auf die restliche, zwölf bis sechzehn Kilometer tiefer gelegene Oberfläche von Iapetus sehen, die weite Eisfläche ein Pendant zu der erhabenen, beringten Perle am Himmel.
    Die Farbe der Mondoberfläche hängt vom Standort ab. Die in Flugrichtung gelegene Seite von Iapetus ist ziemlich schwarz, während die gegenüberliegende Seite extrem weiß aussieht. Dieser scharfe Kontrast, der Cassini bereits im Oktober 1671 bei der Entdeckung von Iapetus auffiel, rührt daher, dass der Mond einer gebundenen Rotation unterworfen ist. Es ist immer dieselbe Halbkugel, die in die Nacht voranstürmt, und deshalb lagert sich unentwegt schwarzer Staub auf ihr ab, der vom gegenläufigen Mond Phoebe hinterlassen wird (der einzige Jupitermond außer Iapetus, der sich nicht auf der Ringebene bewegt). Im Laufe von vier Milliarden Jahren hat sich eine nur wenige Zentimeter dicke Staubschicht angesammelt. Die Rückseite von Iapetus, auf der sich das sublimierte Eis der dunklen Seite sammelt, kann hingegen das weißeste Eis im gesamten Sonnensystem vorweisen. Das Ergebnis ist ein zweifarbiger Mond, der einzige im gesamten Sonnensystem.
    Als die Menschen kamen, um Iapetus zu besiedeln, glätteten sie den Kamm des Äquatorbands und statteten es mit einem Fels- und Aluminiumfundament aus. Anschließend formten sie mithilfe von Muschelgenen die Anlage Äquatorstadt. Einen Teil des flachen Kamms ließ man frei, damit er als Standort für Raumhafen-Landebahnen und Ähnliches dienen konnte, aber der Großteil der Erhebung wird inzwischen von einem langen, durchsichtigen Zelt überspannt. Darunter säumen abwechselnd Wohnhäuser, Farmen, Parks, Gärten und Wälder den großen High-Street-Boulevard. Da die Luft im Zelt immer warm gehalten wird, kann die Architektur im Innern sehr offen sein, sodass man durch die Lücken zwischen den Decken und Dächern oft den Saturn sehen kann. Mithilfe von Muschel-Biomimikry ist es gelungen, Gewebe zu erschaffen, das unter einer Außenhülle Kalzium aufnimmt und ablagert. Dieses weiche, lebende Gewebe wurde genetisch so programmiert und gestaltet, dass die Architekten mit seiner Hilfe eine Biokeramik-Struktur über der nächsten errichten können, wie Korallen aufeinander aufbauend. Inzwischen ist praktisch der ganze Innenbereich des Zelts voll damit. Wie bei den meisten Biokeramikgebäuden hat man die schrägen, vielschichtigen Anlagen dazu gebracht, Kämme, Fächerformen, Rillen und andere muschelartige Formen auszubilden, sodass die Gebäude aussehen wie große, übereinandergeschichtete Meeresfrüchte. Oft wird Sydney wegen seines weltbekannten Opernhauses als Vergleich genannt, aber eigentlich sieht die Erhebung um den Äquator inzwischen mehr aus wie ein Great Barrier Reef aus dicht gepackten Muscheln, mit Löchern wie von Röhrenwürmen, durch die man den Anblick des

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