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sonderbar verhalten. Inzwischen halten wir die Augen nach so etwas offen. Manche dieser Leute sind markiert, und ihre Bewegungen werden verfolgt.«
»Also gibt es so etwas wirklich?«
»Ja, ich glaube schon. Einige haben wir gescannt, und dann sieht man es natürlich sofort. Aber bisher wissen wir noch nicht viel mehr.«
»Aber warum sollte jemand so etwas tun?«
»Keine Ahnung. Aber wenn es Qubes gibt, die sich aus eigener Kraft bewegen können, und zwar ohne dabei Aufsehen zu erregen, dann würde das eine ganze Menge von dem, was passiert ist, erklären. Ich sorge dafür, dass sich meine Leute mal die drei, denen du begegnet bist, ansehen.«
»Ich glaube, es waren Menschen«, sagte Swan. »Sie haben nur so getan.«
»Du glaubst, es waren echte Menschen, die sich als Simulacra ausgegeben haben? Als eine Art Theatervorstellung?«
»Ja.«
»Aber warum?«
»Ich weiß es nicht. Warum sollte ein Mensch sich in eine Kiste setzen und so tun, als wäre er ein Schachcomputer? Es ist ein alter Traum. Eine Art Theater.«
»Mag sein. Aber ich schaue mir die Sache trotzdem mal an, wegen der seltsamen Vorgänge.«
»Na schön«, sagte Swan. »Aber ich glaube, dass es Menschen waren. Wie dem auch sei, nehmen wir an, dass es keine Menschen waren. Wo liegt das Problem mit diesen Dingern, wenn es denn Dinger sind?«
»Das Problem besteht darin, dass dann Qubes frei herumlaufen und Dinge tun. Was tun sie? Was sollen sie tun? Wer veranlasst sie dazu? Und da es bei den Attacken, von denen wir wissen, eine Qube-Komponente gab, müssen wir uns fragen, ob diese Dinger etwas damit zu tun haben. Sind einige von ihnen vielleicht in die Sache verwickelt?«
»Hmm«, sagte Swan.
»Vielleicht läuft alles auf eine Frage hinaus«, sagte Genette. »Warum verändern sich die Qubes?«
LISTEN (7)
unachtsames Fracking – fehlerhafte Versiegelung – defekte Luftschleuse – Pech – Überdruck-Funkenfeuer – Kohlenmonoxidstau – Kohlendioxidstau – Konstruktionsfehler – Riss im Maschinengehäuse – plötzlicher Druckverlust – Sonneneruption – Verunreinigungen im Treibstoff – Metallermüdung – geistige Ermüdung – Blitzschlag – Meteoritentreffer – versehentliche kritische Masse – versagende Bremsen – Werkzeug fallen gelassen – stolpern und hinfallen – Kühlmittelaustritt – Werkfehler – Programmierfehler – menschliches Versagen – Versagen der Abschirmung – Batteriebrand – Ablenkungen – KI-Probleme – Sabotage – die falsche Entscheidung – vertauschte Drähte – kognitive Einschränkung durch Freizeitbeschäftigungen – kosmische Strahlung –
(aus dem Journal der Weltraumunfälle , Band 297, 2308)
AUSZÜGE (8)
Charlotte Shortbacks Einteilung der Epochen war in vieler Hinsicht richtungsweisend. Natürlich ist ein solches Schubladendenken an und für sich schon umstritten und sogar suspekt, da es häufig den Eindruck macht, als müsste man nur die Augen ein bisschen zusammenkneifen und belletristisch mit der Hand wedeln, um einen Handpuppenmythos aus dem dichten, »brummenden und blühenden Durcheinander« der dokumentierten Vergangenheit zu erschaffen. Dennoch scheint das Leben der Menschen sich zu unterscheiden, je nachdem, ob man sich beispielsweise im Mittelalter und der Renaissance oder im Zeitalter der Aufklärung und der Postmoderne befindet. Und ob diese Unterschiede nun auf Veränderungen der Produktionsweisen, der Gefühlsstrukturen, der wissenschaftlichen Paradigmen beruhen oder durch Herrscherwechsel, technischen Fortschritt oder kulturelle Metamorphosen verursacht werden, spielt eigentlich kaum eine Rolle. All das bildet ein Muster, eine für Menschen nachvollziehbare Geschichte.
Lange gab es also ein allgemein anerkanntes Schema, laut dem auf die Feudalzeit und die Renaissance die Frühmoderne (17. und 18. Jahrhundert) folgte, dann die Moderne (19. und 20.) und die Postmoderne (20. und 21.) – danach brauchte man dann eindeutig eine neue Bezeichnung. Eine ganze Weile lang ließ dieses Bedürfnis immer neue konkurrierende Systeme entstehen, und dieser Wettbewerb sowie die meistens mikroskopisch detaillierte Narratologie der damaligen Historiker verhinderten die Einführung von Begrifflichkeiten, die ähnlich anerkannt und allgemeingültig wie die vorangegangenen waren. Erst in den letzten Jahren des 23. Jahrhunderts schlug Charlotte Shortback der historischen Forschergemeinde ihre Nomenklatur vor, durch welche die sogenannte »lange Postmoderne« ersetzt werden sollte, ein
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