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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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nicht gerade bei der Terraforming-Arbeit einsetzen ließen. Mit anderen Worten, es war wie früher in China! China 2.0! Die Chinawelt! Das Reich der Mitte näher an die Sonne verlegt! Das innere Reich der Mitte sozusagen! Man hatte hier eine Menge Bezeichnungen dafür.
    Manche Leute in der Bar fanden, dass es sich bei alldem um Übertreibungen und Klischees handelte. Schließlich säßen sie hier in der Singbar zusammen und vollbrächten dort draußen täglich tolle Taten, womit sie ein Teil der Geschichte der Venus wären, egal was die Leute über die Regierung sagten – aber solche Meinungen wurden mit Gelächter und Hohnrufen quittiert. Anscheinend waren die meisten Anwesenden der Meinung, dass sie nur hilflose Beobachter eines gewaltigen Dramas waren, das sich über ihren Köpfen abspielte, ein Drama, dass sie schließlich mit in den Abgrund reißen würde, da konnte man so viel reden oder hoffen, wie man wollte. Deshalb sollte man sich lieber mit Trinken und Palavern und Singen und Tanzen betäuben, bis man schließlich erschöpft durch die frühmorgendlichen Straßen taumelte. Und so folgte auch Kiran Zaofan zu ihrem Platz auf dem Matratzenlager ihres Arbeitstrupps. Nach einigen Malen akzeptierte man ihn als Mitbewohner, was recht angenehm war.
    Einmal hatte er bei seiner Rückkehr nach Colette das Gefühl, beobachtet zu werden, und als er es bemerkte, schloss sein Verfolger zu ihm auf. Es war ein großer Mann, der ihm mit einem Blick verriet, dass sich noch jemand hinter Kiran befand. Sofort rannte Kiran in eine verstopfte Gasse und schob sich seitwärts durch die Hintertür eines Ladengeschäfts, was allgemeine Empörung zur Folge hatte, die seine Verfolger hoffentlich behindern würde. Anschließend ging es nur noch darum, so schnell wie möglich zu rennen, immer tiefer in das Labyrinth aus kreisförmigen Gassen in Colettes Innenstadt. Haken schlagend eilte er zu Lakshmis kleiner Vertretung in Colette und zog sich selbstbewusst vor dem Wachmann am Eingangstresen hoch. »Ich will Lakshmi sehen«, schnaubte er. Die Brauen des Wachmanns hoben sich weit, und sofort zeigte eine Pistole auf Kirans Gesicht.
    Es dauerte eine Weile, bis Lakshmi in Colette war, und während dieser Zeit ließ der Wachmann ihn nicht aus der Vertretung. Er war mehr oder weniger verhaftet, doch als Lakshmi eintraf, schien sie mit seiner gelungenen Flucht zufrieden zu sein.
    »Unterm Rand bei der 123 in Kleopatra gibt es ein geschlossenes Gebäude«, sagte sie, als er seine Geschichte zu Ende erzählt hatte. »Zieh nach Kleopatra, übernachte dort bei deiner Freundin, und lass dich ein bisschen treiben. Versuch festzustellen, wie viele Leute dieses Gebäude täglich betreten und verlassen. Ich glaube, Shukra versucht, ein xiaojinku in meiner Stadt aufzubauen.«
    »Funktioniert das wie eine hawala? «, fragte Kiran.
    Lakshmi beachtete seine Frage nicht. Sie ging, und auch Kiran durfte gehen.
    Als Kiran also das nächste Mal in Kleopatra war, ließ er sich treiben. Er ging durch die Stadt in den 110. Abschnitt, wo es weniger Speichen-Boulevards gab, dafür mehr größere Industriegebäude. Die Bars waren ebenfalls entsprechend größer. Er betrat eine in der Nähe der Anlage bei der 123 und setzte sich an das Fenster, durch das der Barkeeper den Kellnern die Getränke reichte. Dann schaltete er seine Übersetzerbrille ein und blickte starr vor sich hin, als schaute er sich einen Film auf ihr an, während er das schlechte Bier trank und die Übersetzung der Gespräche um ihn herum las.
    Sie sind so schön, das ist ein Fehler.
    Lakshmi wollte sie so haben.
    Psst! Sie, deren Name nicht ausgesprochen werden darf!
    Doch Kiran hörte sie lachen. Die Brille schrieb kein rotes Ha!Ha!Ha! auf die Linsen wie bei einem Comic; eigentlich hätte ihm das gefallen.
    Nachdem er den ganzen Abend lang den Barbesuchern zugehört hatte, stand er ein Weilchen auf der Straße herum, nahm eine Straßenbahn zur Randpromenade und spazierte durch die fragliche Nachbarschaft, wobei er beiläufig Blicke nach unten warf. Er ließ die Gespräche um ihn herum von seiner Brille aufzeichnen. Später am selben Abend saß er an einem Ecktisch in einer Bar nahe der Innenstadt und spielte die Aufzeichnungen verbal ab, in der Hoffnung, das eine oder andere Gespräch von Wachleuten aufgeschnappt zu haben. »Sie muss damit aufhören, das ist zu viel.« Jemand anders war nicht besonders glücklich über diese Worte. »Wir arbeiten für Big Pears, tu es einfach.«
    Immer wieder

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