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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Kiran vorging. »So darfst du nicht denken, sonst kapselst du dich ab! Du kannst dich selbst so oft hingeben, wie du Gelegenheit dazu erhältst. Es gibt da keinen begrenzten Vorrat.«
    »Es tut zu sehr weh, wenn die anderen fortgehen.«
    Der Verwalter zuckte mit den Schultern. »Es hat keinen Sinn, sich an jemanden zu hängen. Lass los und wende dich neuen Dingen zu. Dein kuo ist dein suo .«
    Dein Ort ist Dein-Ort. Die Philosophie von jemandem, der eine Schlafstatt betrieb. Aber jedes Gebäude auf Venus war eine solche zeitweilige Unterkunft. Vielleicht sogar jedes Gebäude im Sonnensystem.
    In der neuen Gruppe gab es ebenfalls ein paar Leute, die für Lakshmi arbeiteten, unten an der neuen Meeresküste, die gerade im Süden gebaut wurde. Sie legten die Städte vor dem Ozean an, der nach wie vor täglich in Form von Schnee niederging. In Sachen Meeresspiegel würde man noch viele Jahre lang mit hohen Einsätzen spielen, und so ziemlich jeder mischte mit. Es gab dabei sogar einen Markt für eine Art Termingeschäfte, insofern man Wetten darauf abschließen konnte, wie hoch der Meeresspiegel letztlich steigen würde. Anscheinend war die Bandbreite dabei ziemlich groß – über zwei Höhenkilometer, was in der Horizontalen gewaltige Landstriche umfasste. In der Arbeitsgruppe und selbst in China wurden offenbar ständig Abmachungen getroffen, gebrochen und erneut getroffen; ständig kamen neue Anweisungen. Man schob riesige Massen von noch nicht abgesondertem Trockeneis umher; und dann war mit einem Mal Schluss damit, und gewundene Wälle blieben wie Höhenlinien auf einer Karte überall in der weißen Landschaft zurück. Das Zeug musste vergraben werden, bevor die Temperaturen noch weiter stiegen, sonst würde es wieder in die Atmosphäre ausdampfen und sie alle vergiften. Das Terraforming, hieß es, wurde langsam zu einem mörderischen Geschäft.
    All das war Kiran neu, und als er Lakshmi das nächste Mal sah, erzählte er ihr von seinen neuen Schlafgenossen und fragte, ob er sie begleiten durfte, wenn sie das nächste Mal zur Küste reisten. Erst schüttelte sie den Kopf, dann runzelte sie die Stirn und dann willigte sie ein.
    »Fahr einfach da runter, sieh dir die Stadt an, und merk dir, wie sie aufgebaut ist. Ich lasse es dich wissen, wenn ich möchte, dass du etwas dort hinbringst.«
    Also begleitete er sein neues Team mit einem Geländefahrzeug nach Vinmara. Auf dem Weg den gewaltigen Südhang von Ishtar hinab kamen sie an einer weiteren neuen Stadt vorbei, die mit einem Hafen an der abfallenden Seite gebaut wurde; dann fuhren sie durch eine Reihe riesiger Haarnadelkurven noch mal etwa tausend, vielleicht auch zweitausend Meter hinab und erreichten schließlich Vinmara, die man ebenfalls als Hafenstadt anlegte. Kiran schloss daraus, dass die Höhe des künftigen Meeresspiegels heftig umstritten sein musste, aber sein neues Team erklärte abfällig, dass die Stadt, an der sie vorbeigekommen waren, eine sinnlose Geste sei und dass ihre Bewohner das Hafenbecken bestenfalls als Schwimmbad würden nutzen können.
    Vinmara selbst war anscheinend mehr als gebaut, denn es bestand größtenteils aus Biokeramik, die sich in gerundeten Schichten entlang des geplanten Uferverlaufs ablagerte. Die Strandpromenade oder Klippenstraße würde einen Stadtbezirk entlang der Meeresbucht verankern, die sich dort eines Tages befinden sollte. Oberhalb der gekrümmten Uferlinie stieg die Stadt steil zu einem Kamm in ihrem Rücken an, der sich bereits mit größtenteils weißen oder beigen Muschelformen und pastellblauen, griechisch anmutenden Borten bedeckte.
    »Diese Stadt hier ist Lakshmis Werk?«
    Ja, es war eines ihrer Projekte im Rahmen der Arbeitsgruppe.
    »Und jemand anders baut die Hafenstadt weiter oben am Hang?«
    Ja, das war die Stadt von Shukras Leuten. Sie waren Dummköpfe und Idioten.
    »Aber weiß man denn nicht, wie hoch der Meeresspiegel steigen wird?«, fragte Kiran. »Ich meine, das Wasser ist doch bereits oben in der Atmosphäre, stimmt’s?« Er deutete mit einer knappen Geste auf den nie endenden Gewittersturm. »Warum sollten sie sich bei den Modellen verrechnen?«
    Seine Teamkameraden zuckten mit den Schultern. Ein oder zwei von ihnen warfen einander Blicke zu, die Kiran zu dem Schluss gelangen ließen, dass er diese Frage als ein weiteres ungelöstes Rätsel des Sonnensystems abheften musste. Der entsprechende Ordner in seinem Kopf war schon ziemlich voll. Schließlich sagte einer seiner Kameraden: »Man muss

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