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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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willst.« Der Franke schritt weiterhin tüchtig aus. Matt hatte Mühe, sein Tempo zu halten. »Im Jahr 1790 erreichte ein junger Adliger von fränkischer Herkunft die niederländische Kapkolonie im Süden Afrikas. Seine Eltern hatten ihn verbannt, nachdem er große Teile des Familienbesitzes am Spieltisch verloren hatte, im Bemühen, seine medizinischen Experimente zu finanzieren, von denen es hieß, sie seien gotteslästerlich. Doch kaum in Kapstadt angekommen, kehrte sein Glück zurück. Der Franke, wie man ihn nannte, machte ein Vermögen, brachte binnen weniger Monate ausgedehnte Besitztümer an sich und richtete ein Labor ein, um seine Forschungen fortzuführen. Unter dem Eindruck afrikanischen Götterglaubens stehend, zog er sich auf seine Güter zurück. Aber der Erfolg seiner Versuche blieb aus, und er verfiel mehr und mehr dem Alkohol. Dann erfuhr er von den neuartigen Lehren von Spannung und Stromfluss und schöpfte neue Hoffnung. Er nutzte die Elektrizität, um endlich sein Ziel zu erreichen: Leben aus dem Tod zu erschaffen… Dieser Teil der Geschichte deckt sich mit deiner Erzählung.«
    Der Franke brach ab und stützte seinen schwankenden Körper schwer gegen die Tunnelmauer ab. Die neu erwachte Erinnerung war für ihn wohl nur schwer zu ertragen.
    »So entstand ich«, fuhr er leise fort und ging weiter. »Die Xhosa, San, Khoi Khoi und Zulu fürchteten mich. Sie sahen einen bösen Geist in mir. Der fränkische Baron, der im ständigen Rausch kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte, flüchtete sich in Gewaltphantasien. Er beschuldigte mich, eine Dirne hingerichtet und zerstückelt zu haben.« Der Franke schüttelte seinen Kopf. »Zu dieser Zeit war ich… nichts. Mein Kopf war leer wie der eines Neugeborenen. Ich musste jede Bewegung, jedes Verhaltensmuster nachahmen und die Menschen verstehen lernen. Frauen faszinierten mich. Sie waren … anders. Weichherziger. Sie versuchten zumindest zu begreifen, was ich war.«
    Der Ausgang zur Insel der Rozhkois war erreicht. Der Franke blieb stehen und sah Matt an, mit Augen, in denen sich größtes Leid spiegelte.
    »1795 fiel die Kapkolonie in den Besitz der Franzosen, wenige Monate später in die Hände der Briten. In diesen Wirren kaperte der Baron einen Schoner der Niederländischen Ostindien-Kompanie und machte sich auf den Weg zurück in die alte Heimat. Aber nicht ohne sich meiner zuvor zu entledigen. Er hatte Angst vor mir, doch er brachte es nicht fertig, mich zu töten. Er segelte bis zur Eisgrenze und setzte mich auf einem treibenden Eisberg aus.«
    »Wie konntest du überleben? Wo warst du all die Zeit?«
    »Ich lebte nie richtig, wie sollte ich da sterben? Es gab kein Entkommen, so oft ich auch den Namen meines Schöpfers brüllte. Also legte ich mich aufs Eis und starrte zum Firmament, bis ich das Denken vergaß und todesähnlicher Schlaf mich umfing, so wie mein Körper langsam vom Eis umschlossen wurde. Ich erwachte, als der Eisberg schmolz. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch es war wärmer geworden, und ich rettete mich auf felsiges Land. Ich erinnerte mich an nichts mehr. Nur noch an das Wort Franke.«
    Matt schüttelte ungläubig den Kopf. Falls die Erzählung des Riesen stimmte und kein Gespinst eines kranken Hirnes war, dann war der fränkische Baron irgendwann nach Europa zurückgekehrt, hatte möglicherweise Mary Shelley am bereits damals mondänen Genfer See getroffen und ihr in einer alkoholgetränkten Nacht von der Zeugung seines Geschöpfes erzählt. Worauf die junge Dame ein paar Details und Namen veränderte und den weltberühmten Roman verfasste.
    »Dies ist meine Geschichte«, sagte das Monster des Franken leise. »Glaube sie oder nicht. Im Grunde genommen ist es einerlei. Nicht du musst damit fertig werden, sondern ich.«
    »Die Anziehungskraft der Gadgets wirkte sich besonders stark auf dich aus«, verknüpfte Matt die letzten Fäden. »Du wurdest ihnen hörig, tatest alles, was sie von dir verlangten.«
    »Schreckliche Dinge. Solche, für die Nanette und ihre Nachfahren büßen müssen.«
    Sie traten aus dem Tor, blickten hinab auf die Hütte der Rozhkois. Die vormittägliche Sonne schob sich soeben zwischen den Wolkenbänken hervor und brachte ein wenig wärmere Luft mit sich.
    Vor dem Haus saß Aruula. Sie sprang auf, ihr Schwert in der Hand, stellte sich in Angriffsposition.
    Matt winkte ihr erleichtert zu und hieb seinem Begleiter freundschaftlich auf die Schultern. Aruula ließ ihre Waffe zögernd

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