235 - Auf dem sechsten Kontinent
beiden alten Vetteln niemals zuvor gekannt haben.« Sie fuhr fort, ihren Körper mit sanften Bewegungen zu massieren. »Ich kann mir diesen Matt mit dem kleinen Finger gefügig machen. Ich kaue ihn durch und spucke ihn aus. Er wird mir dankbar sein und ein Hohelied auf meine Schönheit singen. Aber es werden sich Schwierigkeiten mit Nanette ergeben. Wenn ich sage, dass ich von hier wegziehen möchte, werden die Alten einen gehörigen Aufstand machen. Und dann benötige ich deine Hilfe. Kann ich mich auf dich verlassen, wenn es so weit ist?«
»Ja«, hörte Matt eine grollende Stimme. Das Tor zum Tunnelsystem öffnete sich und die mächtigen Arme des Franken schoben sich daraus hervor. »Ich tue, was immer du willst.«
Aruula hatte recht gehabt. Das schüchtern wirkende Mädchen, dessen Blicke von Unschuld und Keuschheit kündeten, spielte ihr eigenes Spielchen. Und sie hatte hochtrabende Pläne. Solche, die sie fort von diesem isolierten Inselreich führen und die Gefahr, die von den Gadgets ausging, in andere Teile der Welt verlagern würden.
Matt hatte genug gehört. Leise bewegte er sich rückwärts, hinab zum Brunnen, und marschierte dann zurück zum Haus der Rozhkois.
Seltsam. Die letzten Worte Nimues hatten ihn aus jener Elegie geweckt, in der er seit der Ankunft der Gadgets gefangen gewesen war. Der Ärger über diese unnützen Geschöpfe, die alle Menschen ringsum wie Spielfiguren manipulierten, zerstörte das unsichtbare Netz, in dem er sich gefangen hatte. Er empfand nichts mehr für Nanette, Babette oder Anette; da war nur noch Abneigung.
Doch würde dieser Zustand auch anhalten, wenn er den Gadget-Frauen gegenüberstand und sie die volle Wirkung ihrer Begabung entfalten konnten?
Er betrat das Lager, gesellte sich zuallererst zu Aruula und erzählte ihr, was er erfahren hatte. Seine Begleiterin atmete erleichtert durch. »Du bist wieder du selbst«, sagte sie leise und umarmte ihn. »Aber nimm dich in Acht. Die Gadgets sind wie Schlangen. Wenn man es am wenigsten erwartet, schnappen sie zu.«
»Ich weiß. Aber noch einmal erwischen sie mich nicht«, sagte er.
Matt mischte sich unters Volk. Er trank einen Schluck Vodka mit Hank, er würfelte mit Cesc um die Wette, er vermittelte zwischen René und Juri, bis sich die beiden wieder vertrugen.
Irgendwann endete die Feier, scheinbar zur Erleichterung aller – mit Ausnahme der Gadgets. Die Familien zogen nacheinander ab. Im Licht von Fackeln wanderten und torkelten sie ins unterirdische Reich des Tunnelsystems.
»Es war ein schöner Abend«, sagte Nanette, »ich danke dir für deine Gastfreundschaft, Juri.« Sie würdigte René keines Blickes. »Ich würde dich und deine Familie ja gerne zu einem Gegenbesuch einladen – aber du kommst ja ohnehin von Zeit zu Zeit vorbei.«
Nanette gackerte laut und hässlich, unter dem Beifall ihrer Tochter und Enkelin, bevor sie sich Matt zuwandte: »Ich bin mir sicher, dass du heute gut schlafen wirst, mein Hübscher. Vielleicht ein wenig kurz, aber… nun, du weißt ja selbst am besten, wie viel Ruhe du benötigst.« Erneut ein Lachen, und wieder war es hässlich und triefte vor Ironie.
»Ich werde mich sicherlich an euch erinnern«, sagte Matt und deutete eine Verneigung an, als sich die blonden Frauen im Gefolge ihrer Familie auf den Weg machten.
Nur mühsam konnte er seine Triumphgefühle unterdrücken. Er fühlte die Präsenz der Gadgets, und er schwebte in einer Wolke aus Verlockungen. Doch er widerstand, selbst den versteckt angedeuteten Bewegungen Nimues. Sie konnten ihm nichts mehr anhaben.
***
»Was nun?«, fragte Aruula flüsternd, nachdem sie sich in Juris Hütte zwischen zwei grob gewebte Decken gekuschelt hatten.
»Ich weiß es nicht«, gestand Matt. »Einerseits hätte ich große Lust, diesen Sirenen eine Lektion zu erteilen. Andererseits möchte ich auf schnellstem Wege in die Innenländer reisen. Ich werde Juri bitten, uns mit dem Transportschiff nächste Woche mitzunehmen.« Er schob sich enger an Aruula. »Wir können nun mal nicht alle Probleme dieser Welt lösen, quasi im Vorbeigehen. Die Außenländer müssen mit den Gadgets alleine zurechtkommen. Vielleicht reicht es ja auch, dass ich heute widerstanden habe, vielleicht zerbricht ihre Selbstsicherheit an meinem Widerstand. Sicherlich warten Anette und Nimue bereits auf mich und kochen vor Zorn.«
»Fühlst du denn nichts mehr?«, fragte Aruula lauernd.
»Doch. Aber ich kann widerstehen. Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich gedemütigt
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