235 - Auf dem sechsten Kontinent
sich darunter weg, warf sich nach vorne, rollte sich ab, kam gleich wieder auf die Beine und stolperte den kleinen Abhang hinab.
Das grelle Tageslicht blendete ihn, ließ ihn lediglich ahnen, wo der Weg verlief. Da vorne war eine Hütte. Groß, in prachtvollem Stil errichtet, mit unzähligen Zubauten versehen. Die Felder ringsum wirkten verlottert. Die Gadgets waren auf keinen Eigenanbau und erst recht nicht auf Handel angewiesen. Jene Ware, die sie verkauften, war weitaus einträglicher als alles andere, was im Schelfland angeboten wurde.
Männer schaukelten in Hängematten, Kinder hingen träge über einem Tablett und stopften Süßigkeiten in sich hinein. Zwei halbwüchsige Mädchen kicherten, als er an ihnen vorbeihetzte. Die Gadgets gaben sich dem Müßiggang hin, so wie seit mehreren Jahrzehnten. Wie Parasiten ernährten sie sich von ihren Nachbarn, trugen durch nichts dazu bei, dass dieser einsame Vorposten der postapokalyptischen Menschheit aus seinem drögen Dämmerschlaf erwachte.
All diese seltsamen Gedanken schossen Matt kreuz und quer durch den Kopf, als hätte er keine anderen Probleme.
Vor dem prunkvoll gestalteten Haupteingang zum Haus saßen Nanette, Babette und Anette beisammen, die Köpfe eng beieinander. Matt fühlte, wie ihn die letzten Kräfte verließen, wie seine Reserven verbrannten.
Er stolperte den Weg hinab, wollte sich erneut unter dem Zugriff des Franken wegducken – und stürzte zu Boden, eine kleine Steinlawine auslösend.
Der Franke war heran. Er packte zu, zog ihn an den Beinen in die Luft, ließ ihn dort schweben und versetzte Matt einen wuchtigen Hieb in die Seite.
Da war kein Gedanke mehr an Verteidigung, da waren nur noch Müdigkeit, Erschöpfung, Gleichgültigkeit. Er war gescheitert, so knapp vor dem Ziel – doch es scherte ihn nicht mehr. Seine Gedanken drohten zu versickern in der Schwärze einer Bewusstlosigkeit. Er registrierte weitere Treffer, nahm sie einfach zur Kenntnis, ohne irgendetwas zu empfinden.
»Halt!«, hörte er eine krächzende Stimme von weit, weit weg. »Lass ihn los!«
Matt stürzte zu Boden, fand nicht einmal die Kraft, sich mit den Händen vor dem Aufprall zu schützen.
»Wir haben dich früher erwartet«, sagte Nanette kichernd.
Er sah ihre geschwollenen Beine, ihre Krampfadern, die sorgsam pedikürten Zehen, die zwischen offenen Schuhen hervorragten. »… mue …«, brachte er mühsam hervor.
»Wie bitte?« Nanette beugte sich zu ihm herab. »Was hast du angerichtet, dass dich der Franke derart grob behandelt hat? Was willst du mir sagen?«
»Nimue«, wiederholte Matt müde. »Hat euch betrogen. Wollte davonlaufen. Euch verlassen.«
»Ist dir das Blut so sehr in den Kopf geschossen, dass du nicht mehr weißt, was du redest? Soll sich Anette um dich kümmern und dich gesund pflegen? Sie freut sich sicherlich, dich zu sehen.«
»Nimue und der Franke«, sagte er, so deutlich wie möglich. »Sie wollten das Schelfland verlassen. Euch verlassen.«
Nanettes Füße kratzten nervös über den Boden, wirbelten Staub auf. »Stimmt das, Franke?«, fragte sie.
»Nein… ja … nein.«
»Ich möchte eine Antwort! Kein Gestottere.« Nanettes Stimme gewann an Schärfe. »Was hat das Balg vor? Wollte sie tatsächlich von hier weglaufen und die Familie im Stich lassen?«
Schweigen. Dann ein unartikuliertes Gebrabbel, ein Klackern, das immer dann ertönte, wenn die Kiefer des Franken aufeinander mahlten.
»Du hast ihr geholfen?«, kreischte Nanette nun. »Du hast mich betrogen, nach all den Jahren?«
Matt fand endlich zu Atem. Er stemmte sich hoch, wischte sich über die Augen, als könnte er seine verschwommene Sicht dadurch klären. Der Franke stand vor ihm, stieg nervös von einem Bein auf das andere. Wie ein kleines Kind, das beim Naschen am Honigtopf erwischt worden war.
»Nimue liebt mich«, sagte er leise.
»Wir alle lieben dich, du Narr! Wir alle haben dir geschenkt, was du brauchtest.« Nanette hüpfte trotz ihres Alters umher wie ein Rumpelstilzchen. »Wir haben deine Gelüste befriedigt, haben dir mehr gegeben, als jede andere Frau dieser Inseln bereit gewesen wäre zu opfern. Und dann fällst du uns in den Rücken, verbündest dich mit dieser nutzlosen Nachgeburt, du hirnloser Klotz?«
Nanette kam in Rage, trat gegen die Beine des Franken, kratzte mit ihren langen dünnen Fingerkrallen, über seine Haut. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als sie mit vorgereckten Armen zu packen und anzuheben. Nanette schlug nach seinem
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