2355 - Die Ressourcen-Welt
Positronik. Sie legte mehrere Bilder übereinander, die einen völlig neuen Eindruck vermittelten. „Ich habe festgestellt, dass die Obelisken anfangen, sich untereinander zu vernetzen.
Der diffuse Nebel, der ihre Sockel umgibt, dehnt sich in Richtung aller benachbarten Obelisken aus. Wie wir bisher von Augenzeugenberichten über Kon-Vid wissen, entstehen auf diese Weise dunkelgraue, senkrechte Nebelwände.
Außerdem", sie deutete zum Fenster, „wird es draußen nicht hell, obwohl die Morgendämmerung längst begonnen hat."
„Hevror und Ameda sind mit dem Gleiter draußen", ergänzte Jere. „Sie untersuchen die Nebelbarriere, die sich von Minute zu Minute immer mehr verdichtet."
„Wo stecken sie? Sie sollen mich sofort abholen", sagte Taje. Ungewaschen rannte er zur Garage, wartete auf das Signal und öffnete dann das Tor nach draußen. Der Gleiter rauschte heran und kam dicht vor dem Tor zum Stillstand. Taje sprang mit einem Satz ins Innere, dann war das Fahrzeug schon wieder unterwegs.
Der Agent sah nach oben, versuchte den nächtlichen Himmel zu durchdringen. Da war kein Schimmer der Sonne Akon. Im Licht vieler Wohnungen und Straßenbeleuchtungen erkannte er undeutlich die Konturen eines Wolkenfelds.
Bis zur Mauer benötigten sie nicht einmal fünf Minuten. Hevror landete auf einem Parkplatz. Die Mauer verlief quer hindurch. Mit ein paar Sprüngen standen sie an dem Gebilde.
Taje streckte den Arm aus. Der Nebel verschluckte die Hand und den Unterarm.
Der Akone ging einen Schritt nach vorn, bis der Kopf in die Wand eintauchte.
Instinktiv zuckte er zurück. Hinter dem Nebel war das Nichts. Dort gab es keinen dreidimensionalen Raum mehr, keine Fortsetzung des Parkplatzes.
Nur das Nichts. Die Welt endete an dieser Wand.
Taje aktivierte das Funkgerät. Er rief eine der Servicestationen des Stadtzentrums, deren Koordinaten er besaß. Das Gerät blieb stumm, es kam keine Verbindung zustande. „Zum Gleiter!" Taje übernahm das Steuer.
Sie flogen die Innenseite des Quaders ab, wagten sich bis hinauf an die Wolkenschicht. Im Scheinwerferlicht des Gleiters bot sie sich ihnen als wabernde Fläche von seltsam geometrischer Struktur dar. Bei genauem Hinsehen allerdings erwies sie sich als leer, ein lichtloses, farbloses Etwas.
Taje führte den Gleiter zurück zum Boden, wählte die Einfahrt in einen unterirdisch gelegenen Bereich und setzte das Fahrzeug auf dem Parkdeck einer Energiezentrale ab.
Ein Energieblitz blendete ihn fast, die Hitze des Thermoschusses brachte die Luft zum Glühen.
Die drei Akonen verteilten sich. Aus drei verschiedenen Schusspositionen nahmen sie jenen Bereich unter Feuer, von dem aus sie beschossen worden waren. Wieder blitzten schwere Energiekanonen auf.
Der Angriff war selbst für einen erfahrenen Agenten wie Taje Karoon-Baal völlig unerwartet erfolgt.
Ein neuer Thermostrahl - armdick beinahe - schoss aus der Tiefe zu ihnen herauf.
Wer ist das?, fuhr es Taje durch den Kopf.
Wer schießt da auf uns - und weshalb?
TRAITOR? Warum sollte die Kolonne das auf einmal tun?
Und dann fiel es ihm ein. „Nicht weiterschießen!", rief er und schickte eines der Kodesignale ab, die er aus der Wohnungspositronik für Notfälle wie diesen kopiert hatte. Das Feuer erlosch.
Hevror ta Gosz spähte vorsichtig aus der Deckung. „Ich erkenne Spuren starker Streustrahlung. Wer immer da geschossen hat, tat es mit einer alten unpräzisen Waffe."
Der „Agent im Krankenstand" erhielt Antwort von einem Steuerautomaten, der ebenfalls auf positronischer Basis arbeitete, aber mehr als zweitausend Jahre alt war.
Ein kurzer Impulswechsel folgte, dann erkannte der Automat die Akonen als Berechtigte an. Eine hohe Säule schwenkte zur Seite, dahinter ragte ein Schott auf, kleiner und unauffälliger als die Türen, die Akon in der heutigen Zeit baute. Im Gänsemarsch huschten sie hindurch, folgten einer schummrigen, ewig flackernden Beleuchtung in die Tiefe. „Willkommen in Alt-Osar", murmelte Taje. „Das sind Anlagen aus einer Zeit, als es noch nicht zu Konar gehört hat. Wir stoßen hier auf uralte Verteidigungsanlagen, die vielleicht nützlich sein könnten."
Es gab hier Treppen und Leitern, die sie benutzten, um die nicht aktivierbaren Antigravschächte zu umgehen. In achthundert Metern Tiefe stießen sie auf eine waagrechte Nebelwand, die mitten durch eine Treppe verlief.
Erneut versuchte Taje, durch das Hindernis zu kommen. Seine Stiefel traten ins Leere, und seine Füße schienen übergangslos
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