2363 - Atem der Finsternis
Graffel saß, in brütende Gedanken versunken, an seinem wuchtigen Arbeitstisch. Es war spät am Tag. In der GESUNDHEIT VII würden. sie bald Feierabend machen, jedenfalls diejenigen Patienten, die in dem Diskus ihren geregelten „Dienst" schoben.
Jene knapp zwanzig Wesen, die fit genug waren, um bei anlaufender Flucht von Hayok das Schiff in den Raum zu bringen und das volle Wagnis einzugehen, den Vorschriften der Kolonne zu trotzen. Rein technisch gesehen sollte dies kein Problem mehr sein, nachdem es vor einer Woche gelungen war, den dringend benötigten Hauptfusionsreaktor zu „organisieren". Er war inzwischen eingebaut und in etlichen Probeläufen getestet worden.
Das vor Jahren als besseres Wrack erworbene Raumschiff war ausgebessert und bereit zum Start. Wann dieser erfolgen konnte, lag nicht an Graffel und an der „Crew" aus teilweise auf schon kriminell zu nennende Weise fit gespritzten Patienten allein. Das bestimmten vor allem die vielen tausend über Hayok stehenden Traitanks der Terminalen Kolonne TRAITOR.
Zentz E. Graffel wusste, dass er die Minuten der Ruhe genießen sollte, bevor die rothaarige Frau erschien, um über den Tag Bericht zu erstatten und die Stille in einen Wirbelwind aus Energie zu verwandeln. Die Zeit vor Pepe Bergmann kam ihm immer mehr vor wie die Ruhe vor dem Sturm - vor einem Sturm der Emotionen und Tatkraft auf der einen und Zerstörung und Unterdrückung auf der anderen Seite. Denn zugleich mit Pepe war auch eine andere Kraft in sein Leben getreten, eine unangenehme, düstere Kraft: TRAITOR.
Noch warteten die Traitanks und die Kolosse der Kolonne im Weltraum. Das taten sie seit zweieinhalb Wochen. Aber jeder wusste, dass dem Planeten Hayok wahrscheinlich das gleiche Schicksal bestimmt war wie Sphinx im Akon-System. Dass man von dort bestenfalls Gerüchte zu hören bekam, machte die Sache noch schlimmen Es reichte, um den Planeten in ein Tollhaus zu verwandeln.
Der Chefmediker der Perella-Klinik am Rand der Hauptstadt Vhalaum. der sich am liebsten „Oberarzt" nennen ließ, seufzte und nahm einen Schluck von dem Cocktail, den er sich aus starkem Kaffee und Alkohol und einigen nur ihm bekannten Zutaten gemixt hatte und der ganz bestimmt nicht gesund war. Aber er hielt ihn wach und vertrieb die ärgsten seiner Dämonen.
Zuletzt hatte er den sicherlich hundertsten Beschwerdebrief einer Sonja Nafmoh gelesen und sich darüber maßlos geärgert.
In einem Satz brachte die Epsalerin es fertig. ihn zu lobpreisen und zugleich die sie behandelnden „subalternen Mediker" als inkompetente Idioten zu bezeichnen. denen ein Aufenthalt auf Celkar gut tun würde.
Er hatte es mittlerweile aufgegeben, sie darüber aufzuklären, dass er selbst ihr behandelnder Mediker war, denn sie ignorierte konsequent alles, was nicht in ihr Weltbild passte. Zudem häuften sich bereits die Beschwerden anderer Patienten über Sonja, die sich unflätig ihnen gegenüber benahm und sie munter beschimpfte, während sie an dem Raumschiff arbeiteten. Manche verhielten sich. als hätte gerade eine Verdummungsstrahlung die Galaxis erfasst ...
Auf seinem Arbeitstisch leuchteten Bildschirme und tanzten Holos. Sie zeigten ihm die mittlerweile beinahe zur Gewohnheit gewordenen Bilder.
Vhalaum hatte sich völlig verwandelt. Die Straßen waren wie leer gefegt, es gab keine Infrastruktur und keine Ordnung mehr.
Wer unterwegs war, zeigte alle Anzeichen von Panik und Paranoia. Diese wenigen waren Einzelgänger, die durch Trümmer von abgestürzten oder abgeschossenen Gleitern oder zerschossenen Gebäuden irrten, über Leichen hinwegstiegen und dem Odem der Fäulnis und des Untergangs preisgegeben waren, der die Stadt durchwehte.
Vhalaum, einst eine vitale Metropole, war eine Ruine geworden, eine Stätte der Verlassenheit und des Grauens.
Wenn es eine Bewegung gab, rührte sie von patrouillierenden Schwebern der Mor'Daer und Kolonnen-Geometer her.
Aber wonach suchten sie? Es gab nichts mehr in der Stadt.
Bei den Raumhäfen indessen spielten sich die wirklichen Dramen ab. Dort tobten die Kämpfe um ein Entkommen, obwohl es kein Entkommen gab.
Tausende Arkoniden und die wenigen Terraner des Planeten versuchten Plätze auf Raumschiffen zu ergattern, die nie wieder starten würden: Wenn es den entsprechenden Versuch gab, scheiterte er an den Fesselfeldern der Kolonne. In den ersten Stunden war es einigen Raumern gelungen abzuheben, nur um noch innerhalb der Atmosphäre von Glutbahnen der Traitanks zerstört zu
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