2409 - Grenzwall Hangay
war.
Während sie, in eine Wandnische gelehnt, daran kaute, beobachtete sie Atlan da Gonozal, der sich am anderen Ende des Raums mit Kantiran unterhielt. Beide Männer zeichnete eine geschmeidige Lässigkeit aus. Einer wie der andere war auf seine Art sehr attraktiv.
Hätte Indica zwischen ihnen wählen müssen, hätte sie trotzdem ohne Zögern ...
Sie schüttelte den unprofessionellen Gedanken ab, erbost über sich selbst.
Offenbar hatte der Arkonide gerade Kantiran eine bedeutsame Neuigkeit mitgeteilt, denn dessen Augen weiteten sich, und er vollführte einen halben Schritt nach hinten. Im Anschluss daran redeten sie umso eifriger; worüber, konnte Indica nicht hören. Schließlich ging Rhodans Sohn energischen Schritts zu Polm Ombar, der bereits einen Gutteil des Buffets abgeerntet hatte.
Atlan sah sich suchend um, dann entdeckte er Indica und steuerte schnurstracks auf sie zu. „Erlaubst du, dass ich dich störe, obwohl wir noch Pause haben?"
Sie schlang den letzten Bissen hinunter. „Allzeit bereit."
Er lächelte gewinnend. Charme hatte er, der alte Schwerenöter, oh ja. Die Geschichten über seine Eroberungen füllten Bände, und so, wie er Indica ansah, zweifelte sie nicht an deren Wahrheitsgehalt. „Gehen wir miteinander ein Stückchen?"
„Gern."
Sie schlenderten den sublunaren Gang entlang. Nachdem sie um eine Ecke gebogen waren, sagte Atlan: „Angenommen, ESCHER hat recht."
„Was äußerst wünschenswert wäre."
„Du sagst es. Und weiterhin angenommen, Kantiran hat ebenfalls recht. Dass es uns zwar gelingt, in den Grenzwall vorzudringen, sich dann aber der Korridor oder die Schneise plötzlich auflöst."
„Weniger gut."
„Wie kann es in einem solchen Fall weitergehen? Was, wenn auch ESCHER keine Lücke für die Lineartriebwerke mehr entdeckt? Ist das Hangay-Geschwader dann am Ende, unrettbar im Wall gestrandet?"
„Denkbar." Indica ahnte, worauf er abzielte. Zumal Atlan ausgerechnet sie angesprochen hatte und nicht etwa Domo Sokrat. „Allerdings gibt es nicht nur eine potenzielle Quelle für Durchreiseinformationen, unseren seltsamen Freund ESCHER, sondern noch eine zweite: die Raum-Zeit-Router der Terminalen Kolonne."
„Respekt, Frau Doktor. Genau mein Ansatz. Falls das Vordringen durch die Stabilzonen und Korridore zu misslingen droht – könnten wir dann nicht immer noch versuchen, die Signale der Raum-Zeit-Router anzuzapfen?"
„Du gehst davon aus, dass sie mit der Barriere nur insofern zu tun haben, als sie die Bewegung der TRAITOR-Truppen sicherstellen."
„Ja. Und es ist sicher nicht die gesamte Galaxis Hangay von Routern umgeben.
Sie konzentrieren sich an gewissen, besonders geeigneten Abschnitten. Einer dieser Abschnitte dürfte der Sektor Gan sein. Weil nur dort permanent Kursanweisungen an die einfliegenden Verbände der Chaosmächte gegeben werden können."
„Gut möglich. Aber hat das denn konkrete Auswirkungen auf uns?"
Atlan blieb stehen und sah sie prüfend an. „Die Rolle der unbedarften Stichwortgeberin steht dir nicht, außerdem nehme ich sie dir nicht ab. Du weißt längst, worauf ich hinauswill."
„Ertappt. – Wir könnten theoretisch an jedem Punkt des Grenzwalls den Durchflug versuchen, an dem ESCHER eine Stabilzone ausfindig macht. Wollen wir uns allerdings die Kurssignale der Raum-Zeit-Router als Hintertürchen für den Notfall offenhalten ..."
„... müssen wir exakt dort den Einflug versuchen, wo auch die Flotten TRAITORS ihre Weiterreise in Angriff nehmen."
„Im Sektor Gan."
„Im Sektor Gan. – Was hältst du davon?"
*
„Das ist Wahnsinn."
Domo Sokrat hatte die Stimme etwas mehr als sonst erhoben. Obwohl für seine Verhältnisse immer noch gedämpft, brachte der Ausruf Boden und Wände des Konferenzraums zum Erzittern.
„Unsere ganze Unternehmung stellt ein Vabanquespiel dar, Sokrates, das war uns von Anfang an bewusst."
„Schon. Aber wir sind immer davon ausgegangen, dass wir versuchen werden, möglichst unbedrängt einzusickern, ergo den Chaos-Truppen auszuweichen. Und nun willst du dich mitten in eines ihrer Haupt-Aufmarschgebiete wagen?"
Atlan zuckte die Achseln. „Die Faktenlage hat sich geändert."
„Fakten? Hochrechnungen auf Basis eines Modells, mit dem einzig ESCHER umgehen kann!"
„Inzwischen treffen die Vorhersagen der Traitank-Einflüge zu fünfundneunzig Prozent zu. Das ist mir Beweis genug, dass es funktioniert."
Der Haluter blinzelte mit dem mittleren, gelblich verfärbten seiner drei Augen.
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