2443 - Eschers Plan
Vergiss nie, was du erfahren und erlebt hast in der Matrix. Denn es kommt die Zeit und ist schon bald ..."
Jegliches Glühen in der Ebene erlischt.
Die Farbwirbel bleiben hinter und unter ihm zurück.
Er rast den zwei Horizonten entgegen und durchstößt sie.
EPILOG
Laurence Savoire schrie. Entsetzliche Angst hielt ihn in ihrem Griff, die Furcht davor, wieder blind zu sein. „Nicht lange genug! Ich habe noch nicht alles in mich aufgenommen!"
Der Erste Kybernetiker war zurück in der wirklichen Welt. Er öffnete sein Auge, und es schmerzte. Lichtstrahlen schienen sich geradewegs in sein Gehirn zu bohren.
Das Nicht-Schwarz war verschwunden.
Seine persönliche Negasphäre existierte nicht mehr.
Er konnte wieder sehen.
Freude darüber drohte ihn zu zerreißen, doch sie kam nicht allein. Mit ihr ging Verwirrung einher. Eben noch hatte ihn die Wunderwelt der Hyperdim-Matrix umgeben, nun saß er in der Realität jenseits der Parapositronik – und er war nicht mehr blind.
„Was ist geschehen?"
Ein Gesicht rückte in sein Blickfeld. „Es wird dir nicht gefallen", sagte Atlan. „Es gibt eine Menge Dinge, die ich dir erklären muss."
Vier Wochen später: 12. Dezember 1346 NGZ Private Aufzeichnung von Dr. Laurence Savoire, Erster Kybernetiker der Parapositronik ESCHER an Bord der RICHARD BURTON: Ich dachte, es sei die Hölle, als ich aufwachte und blind war. Niemand, der es nicht durchlebt hat, kann verstehen, warum ich im Nachhinein genau das Gegenteil als die echte Hölle bezeichne.
Schlimmer als alles andere war, aufzuwachen und wieder sehen zu können.
Es gibt niemanden, mit dem ich meine Erfahrung teilen kann, denn niemand hat je mein Schicksal erlitten. Eine Stimme tief in mir (die des kleinen Jungen, der seinen toten Vater in der völligen Finsternis einer stürmischen Nacht findet) sagt mir, dass es gut so ist. Was ich erlebt habe, macht mich zu dem, der ich bin: Laurence Savoire.
Ein Mensch.
Eine Persönlichkeit.
Und doch nicht mehr als ein Mittel zum Zweck, das von einer Höheren Wesenheit benutzt und missbraucht wird.
ESCHER ist auf mich angewiesen, aber als sein Plan der Erfüllung entgegenging, stand ich ihm im Weg. Also räumte er mich zur Seite. Dass er dadurch mein Leben zerstörte, darauf achtete er nicht. Weil es für die Parapositronik unwichtig war.
Ich kenne nun ESCHERS Herrlichkeit, ich habe die Hyperdim-Matrix besucht und weiß, dass ESCHER nicht gegen mich handelte. Die Matrix ist Perfektion und Verlockung und Herrlichkeit. Doch zugleich empfinde ich Abscheu.
ESCHER hat nicht nur wieder einmal eigenmächtig gehandelt und versucht, sich über jede Autorität hinwegzusetzen, sondern er hat sich auch über mich hinweggesetzt.
ESCHER, ESCHER, ESCHER.
Wenn ich mir diese Aufzeichnung anschaue, springt mir der Name immer wieder entgegen.
ESCHER, ESCHER, ESCHER.
Als sei die Parapositronik alles, was zählt. Als gäbe es sonst nichts, als gäbe es keinen Dr. Laurence Savoire.
Ich war blind, doch ich sehe wieder.
Es war ein Spiel, eine Intrige, und ich war das Opfer. Eine Schachfigur, mit der die Parapositronik getan hat, was ihr beliebte. Welche Qual sie mir bereitete, darüber dachte sie nicht nach. Pal Astuin sagte, er bedauere es, aber in seinen Worten lag kein Funke Mitgefühl.
Die Kosmopsychologin Fria Harrt gab mir bei einer unserer ersten Sitzungen einen Datenkristall in die Hand. Viel später erst, als ich längst wieder sehen konnte, habe ich die gespeicherten Daten gelesen. Es ist der Bericht eines terranischen Jungen. Er erblindete mit vier Jahren, und ihm wurden die Augäpfel herausoperiert. Er lebt für immer in der Nicht-Schwärze, die mir solche Angst einjagte, und er hat sich damit arrangiert. Ich bewundere ihn, denn für ihn gibt es nicht die Hoffnung, dass er eines Tages wieder sehen wird. Er erwähnt sogar, dass dies für ihn kein erstrebenswertes Ziel bildet. Er hat sich mit seiner Blindheit nicht nur arrangiert, sondern Zufriedenheit darin gefunden.
Vielleicht wäre es mir auch so ergangen, irgendwann, doch das ist nicht die Frage, die ich mir stelle. Die biologische Blindheit ist ein Thema, das für mich der Vergangenheit angehört. Aber auf andere Weise bin ich noch immer blind. Und werde es bleiben, solange ich nicht in die Wunderwelt der Matrix zurückkehren kann. Denn das, was ich mit meinem eigenen Auge sehe, ist nichts im Vergleich dazu, was ich dort erlebt habe.
Es gibt andere Dinge, um die ich mich nun kümmern muss. Sie helfen mir dabei,
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