25 Boys
könnte ich ihnen Schutz bieten –, dass ich hoffe, dass wir das auf dem Schiff zurückgelassen haben, was den Tod unseres Käpt’ns und den von Rockboat verursacht hat.
„Es ist kein Traumschiff mehr“, sagt Dimo und ich gebe ihm recht. Ein Traumschiff war es am Anfang, jetzt ist es ein Schiff der bösen Träume. Ich blicke zurück und sehe in der Düsternis das große und mächtige Schiff auf der Wasseroberfläche auf und ab wippen wie eine bösartige Bestie, die mit einem offenen Auge schläft und auf unsere Rückkehr wartet, um unerbittlich einen nach dem anderen zu reißen.
De r erste Offizier, wie ich Niels den Quartiermeister, nun nenne, sucht aufgeregt nach irgendeinem Menschen und ich höre ihn laut rufen, dass hier niemand sei. In seinem Nacken sitzen die Hackennase, die sich genauso unwohl fühlt wie wir alle, Czernovic, der immer wieder kleine Schrecklaute von sich gibt, wenn sich ein dürrer und kahler Busch in seiner Nähe bewegt und der Arzt, der immer wieder sagt, dass er auf dem Schiff hätte bleiben sollen.
Die Häuser in der Geisterstadt sehen verlassen aus. Ein paar wagemutige Schwule brechen in die Häuser ein und berichten beim Herauskommen, dass sich niemand in den Häusern befände.
„Was sollen wir tun?“, frage ich die beiden zitternden Menschen, die sich an meine Arme klammern. Mir fällt auf, dass wenn ein zitternder Lichtkegel die Häuser anleuchtet, kein Glas reflektiert wird. Die Häuser scheinen sehr alt zu sein.
Mr. A ist einmal neben mir, einmal vor mir und einmal hinter mir, aber stets in Begleitung mit Ezel. Baruch versucht sich als starker Mann und dringt mit ein paar anderen mutigen Schwulen in die anscheinend leer stehenden Häuser ein. Wenn er und die anderen herauskommen, sind ihre Gesichter geknickt und enttäuscht, da niemand in den Häusern zu finden ist, den sie fragen hätten können, ob es auf der Insel ein Funkgerät gibt, um Hilfe zu rufen. Ebenso berichtet einer, dass er keinen Strom- oder Wasseranschluss gesehen habe. Alles sei einsam und verlassen.
Diese Nachrichten schockieren mich und ich beginne wieder zu zittern. Wo sind wir hier? Sollten wir umkehren?
Eine Tür schlägt zu und alle sehen in die Richtung, aus der der Lärm gekommen ist, der sich wie ein Schuss aus einem Gewehr angehört hat.
Dann, ganz langsam öffnet sich die Tür. Der erste Offizier leuchtet mit seiner Taschenlampe, die Umgebung aus. Was wir sehen, ist ein verlassenes Haus, das Dach ist mit Holzschiefern und Stroh bedeckt, die Blumen sind welk und dürr und die Fenstern, sowie die Haustür, stehen sperrangelweit offen und die Dunkelheit in ihrem Inneren dringt wie die Tinte einer Krake nach außen.
„Ist da wer?“, ruf t er, doch ihm wird nicht geantwortet.
Di e Hackennase leuchtet mit der Taschenlampe ebenso in kegelförmigen Lichtstrahlen die Umgebung aus. Ein Wispern ist zu hören, das die Stimmung angstvoll untermalt. Silhouetten und Schatten nehmen schärfere Umrisse an, und ich erkenne im Schein der Taschenlampen, dass vor uns Menschen stehen. Sie haben uns und ihre eigene Stadt umzingelt.
„Da sind Menschen“, höre ich ein paar von uns sagen. Ich kann keinen Laut von mir geben, zu trocken ist meine Kehle und zu gelähmt mein Mund, der offen steht vor Angst.
Der erste Offizier beginnt zu sprechen: „Wir müssen einen Funkspruch entsenden, dürfen wir ihre Funkausrüstung benützen?“
Doch ihm wird nicht geantwortet. Ich sehe mich erschrocken um, die festen Griffe von Dimo und Luca lösen sich und ich sehe, dass die Menschen, die wahrscheinlich aus der Stadt kommen, uns langsam umkreisen und einengen. Sie haben nicht sehr viel an, einen Lendenschurz um die Hüfte. Es sind nur Männer, soweit ich es erkenne. Die Frauen scheinen in Sicherheit gebracht worden zu sein oder sie wurden vor uns zum Schutz versteckt. Ein kalter Seewind zischt mir um die Ohren und mir ist zum Heulen zumute, weil ich die Situation nicht verstehe und weiterhin Angst spüre.
„Was soll das alles ?“, frage ich und bekomme keine Antwort – von niemandem. Meine Stimme hört sich wie das Reiben auf einem Schmirgelpapier an.
Der erste Offizier spricht weiter, er versucht seine Tonlage so ruhig wie möglich zu treffen, weil er nicht weiß, mit wem er es zu tun hat. Und diese Menschen scheinen uns in keinst er Weise zu verstehen. Einige von ihnen geben seltsame Laute von sich, einige hocken sich nieder und ich bin versucht mich ebenso hinzuhocken,
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