252 - Die Schrecken der Medusa
war. Ob nun Medusa oder nicht - ein grausiges Geheimnis breitete sich vor ihnen aus. Diesen Steinbullen hatte definitiv kein Mensch geschaffen. Matt fand einfach keine andere Erklärung als die, dass das Tier bei lebendigem Leib versteinert sein musste…
***
Ihre Lippen schmeckten salzig. Sie hatten Hunger, aber vor allen Dingen Durst. Während des Sturms hatten sie Salzwasser schlucken müssen, was sich jetzt rächte. Sie waren etwa dreißig Minuten der Spur des Mädchens an der Küste entlang gefolgt, als sie in einiger Entfernung einen Turm sahen, der in den blauen Himmel ragte.
»Ein Wachturm«, sagte Matt. »Aus der Zeit vor dem Kometen.«
Aruula schattete ihre Augen mit der Hand ab. »Wer hat hier wen bewacht?«
Matt ersparte es sich, ihr den zweiten Weltkrieg erklären zu wollen; ansonsten hätten sie wohl noch am nächsten Morgen hier gestanden. Er beschränkte sich auf das Wesentliche.
»Im letzten großen Krieg vor Kristofluu befürchtete man hier einen Angriff der Doyzen, die damals mit dem Rest der Welt verfeindet waren. Die einheimischen Politiker und Soldaten machten sich davon und ließen die Bevölkerung alleine; nur die Kinder nahm man mit und brachte sie nach Britana. Tatsächlich dauerte es nicht lange und der Feind landete auf Guernsey. Die noch hier lebenden Menschen wurden in Lager gesperrt, und die doyzen Soldaten versahen die Insel mit Befestigungsanlagen, um von hier aus Angriffe auf Britana zu starten. Dazu gehörten auch die Wachtürme.«
»Eine schreckliche Geschichte.« Aruula sah zu Matt. »Ich denke, vor Kristofluu waren die Menschen genauso wild und böse wie heute. Eigentlich hat sich nicht viel geändert.«
Matt zog ein leidendes Gesicht und nickte. In vieler Hinsicht waren die Zeiten sogar noch grausamer gewesen. Heutzutage kannte man zumindest keine Massenvernichtungswaffen mehr, und die Zahl skrupelloser Politiker, Terroristen und machtgieriger Konzerne hielt sich auch in engen Grenzen.
Sie waren während des Gesprächs hügelan geschritten und erreichten nun die Kuppe. Plötzlich stöhnte Aruula, die vor ihm ging, auf und schlug die Hand vor den Mund.
Einige Sekunden später stand auch Matthew auf der Anhöhe und blickte auf ein kleines Dorf hinunter. Die Bauten sahen unversehrt aus, die Wege waren gepflegt. Der Dorfplatz war mit Bänken bestückt, in der Mitte befand sich eine Feuerstelle.
Matt brach der Schweiß aus, während sich Aruulas Hand in seinen Unterarm krallte. Sie keuchte und zog mit der freien Hand wie in Zeitlupe ihr Schwert aus der Rückenkralle.
Vor ihnen standen… Skulpturen. Wie der Wakudabulle zuvor, waren es lebensechte Abbilder der Wirklichkeit - aber diesmal handelte es sich um Menschen , mitten in der Bewegung erstarrt, die Gesichter in Panik verzerrt. Ihre Kleidung, die stofflich geblieben war, flatterte in der Brise.
Statuen, die keine Kunstwerke waren, sondern offensichtlich das Werk einer unheimlichen Macht. Hier brauchte Matt keine wissenschaftlichen Begründungen, hier gab es nichts zu hinterfragen. Es handelte sich nicht um das Werk eines Künstlers, obwohl selbst Michelangelo oder Donatello auf das Ergebnis neidisch gewesen wären.
Am grauenvollsten waren die weit aufgerissenen Augen der Versteinerten, denen das Leben genommen worden war. Oder existierten sie hinter der steinernen Fassade noch? Bekamen sie mit, was um sie herum geschah? Schrien sie tonlos? Versuchten sie ihrer Hülle zu entfliehen? Manche hatten den Mund aufgerissen; sogar Angstschweiß und Speichel waren zu grauem Stein geworden.
»Was… was ist hier geschehen?«, stöhnte Aruula, die selbst wie versteinert wirkte und das Schwert in Angriffsstellung hielt, wobei die Klinge zitterte.
»Ich weiß es nicht«, murmelte Matt. Er hatte, seitdem er in die Zukunft geschleudert worden war, schon gegen bizarre Monster, verrückte Eroberer und Mutanten gekämpft und es längst aufgegeben, hinter allem einen Sinn suchen zu wollen. Aber das hier war… bizarr. Wer hatte den Dorfbewohnern das angetan und warum?
»Die Medusa…«, flüsterte Aruula, als hätte sie Matts Gedanken erraten.
Matthew Drax öffnete den Mund. Seine Lippen bebten, instinktiv sah er sich um, als erwartete er, ebenso wie diese schauerlichen Gestalten jeden Moment versteinert zu werden. »Nein, Aruula - es gibt keine Medusa. Das hier muss einen anderen Hintergrund haben.«
»Und wenn es doch wahr ist?«
Darauf wusste Matt keine Antwort mehr.
Gemeinsam stiegen sie die Anhöhe ins Dorf hinab. Manche
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