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255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Kinder jeden Alters, manche in wallende Nachthemden, manche nur in Windeln gekleidet. Die Größeren trugen die ganz Kleinen.
    Und eines der Kinder, ein Junge von acht Jahren, trug in seiner Hand eine Papierrolle. Sie enthielt eine Nachricht der Hexe. Sie war an Ben Coogan höchstpersönlich adressiert, sprach sich aber binnen kürzester Zeit wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf herum. Ihr Inhalt war ebenso unmissverständlich wie grausam:
    Du bist der Aufwiegler, Bürgermeister. Deshalb zahlst du den Preis, von dem ich sprach. Ich gebe alle Kinder frei - bis auf eines. Bis auf deinen Sohn! Ihn behalte ich als Pfand. Solltet ihr euch meinen Forderungen noch einmal widersetzen oder mich gar angreifen, wird er sterben.
    1.
    Gegenwart
    Ende Oktober 2525
    »Ich habe schon viele Himmel gesehen - aber so einen…« Rulfan wirkte beeindruckt. Die Flammen knisterten, und das übereinander geschichtete Holz schleuderte ab und zu Funken in die brennende Nacht. Es sah aus, als wollte sich Feuer mit Feuer vermählen.
    »Der Himmel scheint wirklich zu glühen. Wie ein Kohlestück im Wind. Ich sehe überhaupt keine Sterne mehr, nur dieses allgegenwärtige Leuchten… seltsam.« Matthew Drax schüttelte ein klein wenig beunruhigt den Kopf. Sein Blick suchte Aruula. Seine Gefährtin hatte die Augen als Einzige von ihnen nicht zum Himmel erhoben, während selbst Chira, Rulfans wölfische Begleitung, fasziniert war von den Lichtspielen dort oben. Auch auf Matts Worte hin löste sie den Blick nicht aus dem Lagerfeuer, in dem sie Bilder zu sehen schien, die wiederum den anderen verborgen blieben.
    Selten hatte Matt seine Gefährtin schweigsamer und in sich gekehrter erlebt als in den Tagen seit ihrer Ankunft in Euree. Sie hatten England erreicht und waren fast sofort mit neuen rätselhaften Begebenheiten konfrontiert worden. Etwas Unbekanntes ging um. Etwas, das lebende Menschen in steinerne Mahnmale verwandelte.
    Zugleich aber wusste Matthew, dass Aruulas Nachdenklichkeit in diesem Moment wohl mehr von etwas anderem dominiert wurde.
    Ann.
    Sie waren auf der Suche nach seiner verlorenen Tochter, die - wie sie von Queen Victoria erfahren hatten - London verlassen hatte und gemeinsam mit ihrer Mutter Jenny und dem Barbarenhäuptling Pieroo vermutlich nordwärts gezogen waren.
    Dieser Nordpfad, dem Matt folgen wollte, hatte sie inzwischen bis in die südlichen Gebiete Schottlands, die Lowlands, geführt. Die beiden Horseys, die Paacival ihnen gegeben hatte, brachten sie schnell voran. Wobei die Spur nicht unbedingt heißer wurde, wie sich Matt eingestehen musste.
    Während er sich dies ins Bewusstsein rief, spürte er plötzlich Aruulas Blick auf sich ruhen. Sie wusste, woran er dachte, auch ohne zu lauschen - so wie er ihr Problem damit kannte.
    Sie suchten nach seiner Tochter, nachdem sie gerade ihren Sohn Daa'tan verloren hatte… durch Matts eigene Hand. [1]
    »Lasst die Nacht brennen. Ich bin müde, ich leg mich hin«, sagte sie jetzt und warf noch einen Blick zu den Reittieren hinüber. »Jemand sollte die Horseys im Auge behalten. Wechseln wir uns ab bei der Nachtwache. Reihenfolge?« Sie stand auf und streckte sich. Ihr Körper war atemberaubend, erst recht vor dem Hintergrund des flammenden Himmels.
    »Das übernehme ich«, entschied Rulfan spontan. Auch er hatte jemanden verloren: seine geliebte Lay, die von Daa'tan umgebracht worden war. Jeder hatte in diesen Tagen sein Päckchen zu tragen. »Ich habe sogar vier Ohren.« Er grinste und nickte zu seiner Wölfin hinüber. Die beiden bildeten eine Einheit, die aber noch nicht die Innigkeit erreicht hatte, die ihn einst mit Wulf verbunden hatte.
    Matt willigte gern in Rulfans Angebot ein, Aruula offenbar ebenso. Sie winkte kurz, dann entfernte sie sich zwischen zwei Felsen, wo sie ihren Schlafplatz eingerichtet hatte. Das Feuer würde ohnehin irgendwann ausgehen. Sie hatten nicht vor, es die ganze Nacht über am Leben zu erhalten. Die Luft war lau - überraschend lau für den Oktober -, und sein Schein lockte ungebetene Besucher eher an, als dass es sie fernhielt.
    Chira hob den Kopf und sah Aruula nach. Die Lupa war immer noch gehandicapt vom allmählich verheilenden Bruch ihres geschienten Vorderlaufs. Dafür durfte sie quer über dem Sattel liegend mit Rulfan auf dessen Horsey reiten.
    Auch Matt sah Aruula hinterher. Es blieb schwierig. Zu sehr ließ sie ihn spüren, wie schwer sie sich mit dem Gedanken anfreunden konnte, all die Strapazen auf sich zu nehmen, um Matts Tochter und

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