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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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einer der beiden Erscheinungen greifen. Sie wirkt wie ein bipolares Rätsel. Wie ein Ja und ein Nein, wie ein Plus und ein Minus. Ich muss mich zwischen den beiden Bildern entscheiden, und ich ahne, dass der Griff zur falschen Frau uns für immer in diesen Raum-Zeit-Aufriss zerren könnte.
    Soll ich das blaue oder das rote Kabel durchtrennen, Sir?
    Ich lache ob dieses abstrusen Gedankens und entscheide dann aus dem Bauch heraus. Ich taste nach links - und bekomme eine semimanifeste Hand zu fassen.
    Mikru. Ich habe sie. Ich erde sie. Ich ziehe den Avatar in die Wirklichkeit zurück - was in sich ein völlig unsinniger Gedanke ist.
    Sie verfestigt, ihre energetische Grundstruktur gewinnt an Tiefe und - rechnerischer - Substanz. Sie runzelt die Stirn, es sind eine bezaubernde Stirn und ein bezauberndes Runzeln, und unternimmt irgendetwas.
    Es hilft. Es macht, dass sich MIKRU- JON vom Aufriss entfernt, von diesem schrecklichen Blick in eine andere Sphäre, langsam, aber beständig. Je weiter wir wegkommen, desto plastischer und glaubwürdiger wird die »Realität« rings um uns. Wir bekommen zu sehen, was wir gewohnt sind und worauf wir vertrauen.
    Die Drehgeschwindigkeit des Universums rings um mich lässt nach. Perry wird größer. Lloyd/Tschubai erwacht aus seiner Erstarrung. Ramoz schleckt Mondra über die Finger.
    Das Schiff kommt frei, der Abdruck der Scheibenwelt verschwindet im Nirgendwo.
    *
    Wir nähern uns der Sektorknospe. Es bleibt kaum Zeit, um das Erlebte aufzuarbeiten.
    Perry nickt mir dankbar zu. Mehr ist nicht notwendig. Wir retten uns immer wieder gegenseitig das Leben; mindestens einmal alle zehn oder 20 Jahre.
    Mikru sagt: »Ich bin ... ratlos. Mir fehlen die technischen Mittel, diese Geschehnisse erklärbar zu machen.«
    »Hast du wenigstens die Bilder der Scheibenwelt im Zentrum des Aufrisses analysieren können?«, frage ich. »Besteht die Möglichkeit, sie besser darzustellen?«
    »Leider nein. Ich habe versucht, hochgerechnete Aufnahmen anzufertigen. Doch sie sind und bleiben verschwommen. Sie entziehen sich jeglicher Deutung. Sie sind verschwommen und verwackelt.«
    Das sind reichlich mysteriöse Antworten für einen Avatar, dem die Hilfsmittel eines hoch technisierten Schiffs wie MIKRU-JON zur Verfügung stehen.
    »Ich möchte die Bilderdaten auf mehreren Speichern«, verlangt Perry. »Außerdem sollen sie an die QUEEN OF ST. LOUIS übertragen werden. Womöglich kann Piet Rawland etwas damit anfangen.«
    »Dieses Abziehbild?«, fragt Mikru mit seltsamer Verachtung in der Stimme. »Du solltest ihm nicht allzu sehr vertrauen. Er hat eine sehr seltsame Vergangenheit.«
    »Ich weiß. Aber ich vertraue Piet. Womöglich kann er dank seiner Beziehung zu ES mehr dazu sagen.«
    Perry und ich grinsen uns an. Ein Avatar, der gegenüber einem im weiteren Sinne verwandten »Geist« Eifersucht zeigt, ist etwas Neues für uns.
    *
    Wir erreichen die QUEEN OF ST. LOUIS. Dieses gewaltige Gebilde, das einem ins Unendliche vergrößerten Lymphozyten ähnelt und, wie wir erfahren haben, das »Derivat« eines oder mehrerer Anthurianer beherbergt.
    Ich wage nicht, es »lebendig« zu nennen. Aber es atmet den Geist früherer Geschöpfe, es ist von ihnen durchdrungen. Und es wird von einem Wesen gesteuert, das nicht tot, das nicht lebendig ist.
    Piet Rawland tippt an die Krempe seines Huts. Eines Stetsons, wie ich zu erkennen meine. Ich kenne die Dinger, hatte sie selbst in New York im Rahmen eines Jobs für Raumakademie-Studenten immer wieder in Händen gehalten. Die zehn oder mehr Lagen fein gepressten Filzes können mithilfe von Wasserdampf immer wieder frisch in Form gebracht werden. Crown und Brim werden je nach Vorstellung hochgezogen und geplättet, gefaltet und geformt. Die Flächen können mittels einer gleichfarbigen, leicht nach innen gebogenen Bürste von Staub befreit und gereinigt werden. Und immer im Uhrzeigersinn, bitte schön ...
    Benötigt Piet Rawland denn Werkzeug und Gerätschaften, um den Stetson in Form zu halten? Oder ist der Hut Teil seiner Erscheinung wie sein Körper und demnach unabänderlich?
    »Jeez!«, sagt der Revolverheld und stößt einen Pfiff aus, nachdem er die Bilder der Scheibenwelt im Aufrissinneren eines Hyperblitzes begutachtet hat. »Dem Alten scheint's wirklich nicht sonderlich gut zu gehen.«
    »Kannst du deine Meinung ein wenig präzisieren?«, fragt Perry mit einem Anflug von Ärger.
    »Er verliert allmählich die Kontrolle, würde ich behaupten.« Rawland wirft einen

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