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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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1.
    High Noon
     
    Es war 11.56 Uhr. Wie immer.
    Piet klopfte mit einem Finger gegen das Gehäuse der hölzernen Uhr, legte das Ding gegen sein Ohr und hoffte, ein Ticken zu hören.
    Es versagte wie immer, und Piet ärgerte sich einmal mehr über seinen Entschluss, das Geschenk des Alten nicht angenommen zu haben; damals, vor einigen tausend Jahren. Sein Leben als Geist wäre womöglich um ein klein wenig leichter gewesen, hätte er die Raketa-Uhr bei sich getragen.
    Piet lümmelte sich auf den Schaukelstuhl, legte die Beine auf einen Schemel und zog den Hut weit über sein Gesicht. Die Sonne brannte herab, Windböen wirbelten Sand durch die Main Street. Durch die einzige Straße des kleinen Nestes. Er meinte, die feinen und feinsten Körnchen auf seiner Haut zu spüren.
    Es war ruhig, wie immer zur Mittagszeit. Ein Mex lag ihm gegenüber neben dem Eingang zu Butcher's. Mit einer Hand hielt er seinen riesigen Strohsombrero fest - und schaffte es dennoch, ruhig und entspannt zu schlafen.
    Großmutter Henri hatte die Kerle aus dem Süden niemals gemocht. Sie wären lausige Liebhaber, hatte sie ihm gegenüber einmal geäußert.
    Piet hatte zugehört und geschwiegen. Henri war trotz ihrer Weisheiten manchem Vorurteil erlegen.
    Wie es der Alten wohl ging? Das Leben war ihr bloß als vorläufige Veranstaltung erschienen. Wo war sie nach ihrem Schlussapplaus denn hingereist? Schwebte sie irgendwie und irgendwo durch die Dunkelheit, entlang irgendwelcher Sternenstaubstraßen, auf der Suche nach anderen Weibern von anderen Welten oder aus anderen Universen, mit denen sie sich in puncto Scharfzüngigkeit messen konnte?
    Piet holte das Schnitzholz hervor und ließ die schartige Klinge seines Messers darübergleiten. Er schabte flache Späne ab und ließ sie achtlos zu Boden fallen. Eine Kolonne winziger, robotischer Spinnen kam angekrabbelt. Sie fraßen die Holzreste auf und verschwanden gleich wieder, irgendwo im sandigen Einerlei der Main Street.
    »Hast nicht viel zu tun heute, mein Junge?«
    Piet grinste, drehte sich beiseite und blinzelte den Mann gegen die hoch stehende Sonne an.
    Sie schickte ihm einen Deputy mit zittrigen Händen und einer halb geleerten Flasche in der Hand ... wie erbärmlich!
    »Der Tag ist lang«, sagte Piet und grüßte, indem er die Hutkrempe mit zwei Fingern leicht antippte. »Es muss nicht immer alles sofort erledigt werden.«
    »Hab dich noch niemals hier gesehen, Fremder. Bist wohl neu in der Stadt?«
    »Stadt? Wenn du diese Aneinanderreihung stinkender Dunghaufen eine Stadt nennst, empfehle ich dir den Gang zum Optometriker.«
    Das Gesicht des Deputys gefror, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine dünne Eisschicht legte sich über Wangen, Nase und Stirn. (Ein Fehler, der einer allzu wörtlichen Übersetzung seiner Anweisungen geschuldet war.)
    Feinste Eisflächen bröckelten ab, während der Vertreter des Sheriffs weiterredete: »Fremde sind hier nicht sonderlich gern gesehen und schon gar nicht solche, die nach Problemen riechen.«
    »Apropos riechen ...« Piet hob die Nase in die Luft. »Da sollte sich jemand mal waschen. Weiter vorn beim Saloon gibt's einen Sauftrog für die Mulis. Möchtest du nicht ...?«
    »Steh auf und komm mit!«, rief der Deputy, nun mit zornrotem Gesicht. Seine Hand schwebte über dem Griff seiner Waffe. »Wir unterhalten uns im Büro des Sheriffs weiter!«
    Er war Linkshänder. Trug einen Smith & Wesson No. 3 mit Selbstspanner. Oder Self Cocking, wie der halb automatische, außen liegende Abzughahn in der alten Zeit in der alten Sprache genannt worden war.
    Piet schüttelte verärgert den Kopf. Es handelte sich nicht um das amerikanische, sondern um das russische Modell mit abgesetzter Trommelbohrung. Woher stammten diese Fehler bloß?
    Er spuckte aus und verfehlte den Napf bei Weitem. »Du hast drei Möglichkeiten«, sagte Piet zum Deputy. »Eins: Du lässt die Hand dort, wo sie ist, und gehst deines Weges, woher auch immer du gekommen bist, und das ist zweifellos der Arsch deines Sheriffs. Zwei: Du ziehst, und ich jage dir eine Kugel in den Kopf. Drei ... Hm ... Was war noch mal drei?«
    Piet Rawland griff nach seinem Peacemaker. Zog die Waffe. So rasch, dass der Deputy völlig überrascht war und kaum den Griff seiner Waffe berührt hatte, als er auch schon an der Schulter und im Herzen getroffen war und Blut aus einem dritten, nicht ganz zentral liegenden Nasenloch austrat.
    Der Mann taumelte und fiel auf die Knie, um dann mit dem Gesicht vornüberzustürzen. Eine

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