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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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gelbe Staubwolke hüllte ihn für Sekunden ein, die Holztreppe unter ihm ächzte. Dann war es ruhig.
    Der Mex gegenüber hatte sich in seiner Ruhe nicht stören lassen; auch sonst ließ sich niemand auf der Straße blicken. Es war, als hätte sich niemand für die Auseinandersetzung interessiert.
    »Aus!«, rief Piet Rawland und erhob sich aus seinem Schaukelstuhl, der gleich darauf in einem energetischen Geflirre verging. »Wie wär's mit ein wenig mehr Phantasie?«
    Während der Ruf des Revolverhelden verhallte, verwandelte sich der Raum zurück in das graue Einerlei der selbst gewählten Kommandozentrale: Energiewirbel zogen durch die vermeintliche Landschaft und fraßen die Bilder der Häuser und der Straße auf, um als Letztes den Mex Schicht für Schicht abzutragen und ihn verschwinden zu lassen. Großmutter Henri hätte sich vermutlich über das unrühmliche Ende des Sombreroträgers gefreut.
    Piet Rawland ärgerte sich ein wenig. Er konnte das Schiff zwar steuern, doch es war ihm noch nicht gelungen, hinreichend Zugriff auf seine Denkmechanismen zu bekommen. Es wäre ihm durchaus recht gewesen, wenn die QUEEN OF ST. LOUIS so etwas wie Eigenheiten entwickelt hätte. Einen Charakter.
    Piet Rawland wünschte sich ein Steuerruder herbei, das das Einerlei an Knöpfen und energetischen Tasten rings um ihn ersetzte. Er wollte das Schiff ein wenig durch dieses endlose schwarze Nichts bewegen, mit geringer Fahrt. Um jederzeit zurückkehren zu können und für die Lenker der Silberkugeln bereitzustehen, sobald sie seiner Unterstützung bedurften.
    »Ein Hinweis fürs nächste Mal!«, rief er laut aus. Er wusste, dass ihn das Derivat des Schiffs, diese Form gewordene Erinnerung der Anthurianer, verstehen würde. »Die nächste Szene hätte ich gern ein wenig wirklichkeitsgetreuer, mit mehr Bewegung auf der Main Street und einem Gegner, der sich nicht durch blöde Sprüche ablenken lässt! Ich benötige auch mehr Hitze, viel mehr Hitze!«
    Keine Antwort.
    Die QUEEN OF ST. LOUIS antwortete nur zögerlich. Sie musste sich erst an den neuen Steuermann und seine Wünsche gewöhnen.
    Piet Rawland drehte am Ruder, dachte sich Stöße von Baumwollballen im Heck des virtuellen Mississippidampfers herbei und ging auf geringe Fahrt. Das Schiff schipperte mit wenigen tausend Kilometern pro Stunde dahin. Die Untiefen des tückischen Flusses in der Schneise spülten immer wieder Snags hoch; oder etwas, das treibenden, plötzlich die Wasseroberfläche durchbrechenden Baumstümpfen in ihrer Gefährlichkeit ähnelte: hyperdimensionaler Mumpitz, der nach der QUEEN griff und sie zu zerstören suchte.
    »Auf geht's!«, rief Piet und ließ sich von einem selbst erdachten RobotKumpel eine Tasse brühheißen Kaffees kredenzen. Der Horizont war das Ziel ...

2.
    Müdigkeit
     
    Ich bin völlig erschöpft. Seit Stunden, seit Tagen, seit Wochen habe ich keinen geregelten Schlaf gehabt. Wenige Minuten des Dahindösens müssen reichen. Ich entspanne auf einem Sitz in der Kommandozentrale von MIKRU-JON, den mir der weibliche Avatar des Schiffs zur Verfügung stellt. Auf einer physiognomisch optimierten Liege, die meine verkrampften und müden Muskeln massiert. Stets umschwirrt von Dutzenden Holo-Schirmen. Umgeben von Eindrücken, von viel zu vielen Bildern.
    Als Höhepunkt des Luxus wärme ich dann und wann für eine halbe Stunde das Bett in meiner Kabine und lasse einen wohligen Wasserschauer in der Nasszelle über meinen Körper rinnen.
    Mein Zellaktivator arbeitet ein wenig stärker als sonst. Ich kann seine Impulse spüren, diesen stetigen Strom an Wohlfühl-Prickeln, der mich durchströmt und in seiner Wirkung niemals nachlässt.
    Die Zellaktivatorchips verschaffen uns Unsterblichen eine etwas verschobene Körperwahrnehmung. Ein Mensch, der seinen Körper anstrengt, ist es gewohnt, dass sein Leistungsvermögen mehr oder weniger schnell nachlässt.
    Doch der Chip unterhalb des linken Schlüsselbeins reguliert diese Empfindungen und besänftigt die Symptome der Müdigkeit.
    Die eigentliche Kraftquelle liegt in unseren Schultern verborgen. Wie seltsam ...
    Ich sehne mich nach einem normalen Tag- und Nachtrhythmus. Nach Schlaf, der nicht wie an Bord eines terranischen Schiffs Teil eines streng reglementierten Ablaufs ist. Ich möchte gern wieder einmal das Licht der heimatlichen Sonne spüren, die Nacht hereinbrechen sehen und zu Bett gehen, wenn mir danach ist. Vor allem eine Sonne, die nicht von einem Feuerauge bedroht wird ...
    »Träumst du,

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