268 - Schritt in die Unsterblichkeit
Menschen, und der erste Film, der die Sprache und die Intelligenz und Kulturbegabung der Delfine wirklich dokumentieren wird…«
Das war nicht ganz richtig, aber auch nicht wirklich falsch. Um ein Bündnis zwischen Delfinen und Menschen ging es Professor Terry Cleveland selbstverständlich nicht. Biggy musste es wissen, sie war schließlich seine Assistentin und arbeitete so eng mit ihm zusammen wie sonst niemand.
Cleveland war viel zu nüchtern, um derartige Formulierungen auch nur in den Mund zu nehmen, geschweige denn, an die Utopien zu glauben, die sie nahelegten. Auf der bevorstehenden, ganzjährigen Forschungsreise wollte er lediglich den Beweis erbringen, dass Delfine ähnlich intelligent und kulturfähig waren wie Menschen, weiter nichts.
Sicher - eine bestimmte Weltanschauung steckte schon hinter diesem Forschungsprojekt. Cleveland wollte beweisen, dass bestimmte Tierarten das Potential hatten, nicht nur irgendeine Zivilisation hervorzubringen, sondern eine bessere und überlebensfähigere Zivilisation als die menschliche. Der Professor glaubte nicht daran, dass der Mensch die Krone der Schöpfung war. Im Gegenteil: Er betrachtete sich als Angehöriger einer Gattung, die dem Planeten Erde und seinen Bewohnern schadete.
Um es noch deutlicher zu sagen: Der Meeresbiologe Professor Terry Cleveland war Mitglied der VHEMT - des Voluntary Human Extinction Movement - der Bewegung für das freiwillige Aussterben der Menschheit. Obwohl er Vorsitzender der neuseeländischen Sektion der VHEMT war, gehörte er keineswegs zum radikalen Flügel der Bewegung. Er befürwortete also weder Massenselbstmord noch Technologiefeindlichkeit oder dergleichen. Er setzte sich allerdings in Vorträgen und Publikationen dafür ein, dass die menschliche Geburtenrate auf Erden auf ein Kind pro Frau reduziert wurde. Allein diese Maßnahme würde die Weltbevölkerung nach Clevelands Berechnungen bis zum Jahre 2075 halbieren und die Ökosysteme und Ressourcen der Erde entsprechend entlasten.
Auch der Milliardär Marc Teller war Mitglied der VHEMT. Er sponserte die Reise, das Forschungsprojekt und den geplanten Dokumentarfilm. Biggy gehörte der Vereinigung nicht an. Mit deren Gedanken und Zielen allerdings sympathisierte sie.
»… ich bin stolz darauf, eine solche Forschungsreise begleiten und unterstützen zu können…« Teller hatte sich warmgeredet. Seine Geliebte ging von einem zum anderen und schenkte Sekt nach. Ben und Pierre schielten ungeduldig nach dem Büfett. »Und nun, Freunde, esst und trinkt!«, rief Teller und sah auf seine Armbanduhr. »In fünfzig Minuten lichten wir die Anker!«
Die Männer und Frauen applaudierten. In Biggys Hosentasche vibrierte das Satellitentelefon. Sie zog es heraus und trat etwas abseits. Ihre Mutter in Klagenfurt war am Apparat. »Mama? Was gibt es denn?« Unwillig runzelte Biggy die Stirn, denn ihre Mutter hatte an diesem Tag schon dreimal angerufen.
»Ich habe einen Klartraum gehabt, Kind.«
»Deswegen rufst du mich in Neuseeland an?«
»Du weißt, was es bedeutet, wenn ich einen Klartraum habe.« Biggy verdrehte die Augen. Ihre Mutter behauptete, manchmal mit glasklarem Bewusstsein zu träumen. In solchen Träumen war sie sich angeblich bewusst, dass sie nur träumte. Und vor allem: Solche Träume hielt sie für prophetisch. »Geh nicht an Bord dieses Schiffes, Kind, ich bitte dich!«
»Ich bin bereits auf der MOTHER NATURE, Mama, und in einer knappen Stunde werden wir den Hafen von Wellington verlassen.« An der Hafenseite lehnte sich Biggy über die Reling. Unten im Wasser zwischen Bordwand und Kaimauer schaukelte der große Fischkadaver. Zur Hälfte bestand er nur noch aus Gräten. Teilweise warfen die gefräßigen Aale sich auf ihn und verbissen sich in sein Fleisch. Biggy schluckte und wandte sich rasch ab. »Hörst du, was ich dir sage, Mama?«
»Du darfst den Hafen auf gar keinen Fall verlassen, Kind - pack deine Sachen und gehe sofort vom Schiff!« Ihre Mutter klang sehr erregt. Biggy machte sich klar, dass es nach Mitternacht war in Klagenfurt. Normalerweise pflegte ihre Mutter gegen neun Uhr abends schlafen zu gehen.
»Mama, bitte! Ich kann doch nicht einfach meine Doktorarbeit knicken, nur weil du schlecht geträumt hast! Ich muss auf diese Forschungsreise! Ohne mich wäre sie gar nicht durchführbar! Was stellst du dir vor…?«
»Fahre nicht mit, Brigitte! Ich beschwöre dich…! Steig ins nächste Flugzeug und komm für ein paar Wochen zu mir…!«
»Nimm ein
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