2719 – Enterkommando GOS'TUSSAN
den herum ein etwa ebenso großer flacherer Wulst lag. Am Bug wirkte er wie durch Stauchung verdickt und lief am Heck spitz aus. Auch die sechs gekrümmten Dorne an der Heckspitze passten zu dem Eindruck, es mit einer Art Wimperntierchen zu tun zu haben, das sich nun mit zunehmender Geschwindigkeit durch den Raum schob, auf die Kante der Station zu, um die GOS'TUSSAN II ins Visier nehmen zu können.
Die onryonischen Einheiten hatten bereits mit dem Gegenfeuer begonnen. Tekener wusste allerdings aus eigener Erfahrung, dass sie das Flaggschiff trotz Unterschreitung der Mindestreichweite für vollständigen Ortungsschutz in dieser Entfernung immer noch nur verschwommen in ihrer Ortung erfassen konnten. Mehrere Hundert Kilometer lagen zwischen der GOS'TUSSAN II und Vothantar Zhy, und unter dem bis an die Obergrenzen getriebenen Einsatz der gravomechanischen Unterlichttriebwerke war die weitere Annäherung bereits aufgehoben worden. Es war nur noch eine Sache von Sekunden, bis die GOS'TUSSAN II auf den Ortungsschirmen der Gegner wieder zu einem Schatten werden und schließlich verschwinden würde.
Trotzdem kam es Tekener vor, als beschleunigten sie viel zu langsam in die Gegenrichtung. Schon kam die Raumamöbe dem Rand der Station bedrohlich nahe. Niemand wusste, wo genau auf dem Schiff der Babylonische Blender installiert war. Damit war unsicher, wie viel Zeit ihnen blieb, um sich der Ortung zu entziehen, ehe der andere schießen konnte. Die Onryonenschiffe machten keine Anstalten, die Verfolgung aufzunehmen.
»Erreichen Mindestreichweite des Schattenschirms in einer Millitonta.«
Fünf Sekunden also noch.
»Zufällige Kursänderung innerhalb der vorderen Quadranten vorbereiten. Auslösen, sobald wir sicher aus der feindlichen Ortung sind.«
Tekener bewunderte die anhaltende Kaltblütigkeit der Has'athor. Zweifellos war sie einer der Faktoren, die ihr die Position als Flaggschiffskommandantin eingebracht hatten.
Der Bugwulst wurde sichtbar.
»Mindestreichweite überschritten.«
»Kurswechsel eingeleitet.«
Tekener atmete auf, stockte dann.
Wo war das Schiff des Atopen?
»Achtung! Feindschiff auf ...«
Der Ortungsoffizier musste seine Warnung nicht mehr fertig aussprechen. Grellblaues Licht flammte auf, wo eine einen Meter durchmessende Röhre aus Energie auf den Paratronschirm der GOS'TUSSAN II traf und sich daran festsog. Tekener sah noch, wie die Kommandantin in die Kontrollen griff. Etwas flammte auf. Die Welt um ihn zerfiel.
2.
Sackgassen
»Vizeimperator da Hozarius. Es freut mich, dass du meiner Bitte um ein Privatgespräch gefolgt bist.«
Tormanac da Hozarius musterte die massige Gestalt seines Gegenübers auf der Suche nach Hinweisen auf dessen Gedanken. Der Richter des Atopischen Tribunals ruhte wie bei ihrem letzten Gespräch in einem Sessel, der direkt mit der dahinter liegenden Säule verbunden war. Sein über zwei Meter großer, in ein raffiniert gemustertes buntes Gewand gekleideter Körper wirkte entspannt. Die stämmigen Arme hatte er auf den Lehnen abgelegt, die dagegen zartgliedrig wirkenden sechsfingrigen Hände mit den außen liegenden Daumen vor dem Bauch ineinander verschränkt.
Seine großen Augen, deren kräftiges Blau durch den blasseren Ton seiner Haut hervorgehoben wurde, blickten freundlich. Auch die restliche Mimik des im Vergleich zu dem haarlosen Schädel kleinen und tief am Kopf liegenden Gesichtes verriet nichts als herzliche Verbundenheit. Der Mund des Atopen war unter dem bis zur Brust reichenden Rüssel nur halb zu sehen, doch die Winkel schienen in einem ewigen Lächeln gefangen. Er war kein Onryone, hatte bislang aber auch nicht erwähnt, welchem Volk er angehörte.
Die Onryonen waren lediglich die militärischen Erfüllungsgehilfen der Atopischen Richter. Es gab weitere solche Hilfsvölker, wie zum Beispiel die Gestalt wandelnden Jaj, die Jagd auf die Angeklagten des Tribunals machten. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis man sie alle kannte.
Tormanacs Blick streifte die Kontrollen, die im Hintergrund des Holos zu sehen waren. Soweit er es erkennen konnte, bildeten sie einen kompletten Kreis in der Innenwand der Kommandokugel der CHUVANC, in der der Richter sich aufhielt. Im Gegensatz zum vorherigen, öffentlich ausgestrahlten Gespräch konnte man dieses Mal allerdings nichts von der restlichen Zentrale und deren onryonischer Besatzung sehen. Die Wände waren optisch und vermutlich auch akustisch abgeschottet worden.
Der einzige sichtbare Anwesende
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