2724 – Zeitzeuge der Zukunft
dachte sie. Spätestens nach Delorian werden wir niemandem mehr folgen, der uns eine Abkürzung ins Paradies verspricht.
Aber wenn ihr Instinkt sie nicht trog und wenn diese Figur tatsächlich eine Anspielung war, die an das Unterbewusstsein der Menschen appellieren sollte – hieße das nicht, dass der Richter sich mit diesem Körper nur verkleidet hatte? Dass er also in Wirklichkeit anders war?
»Wie siehst du wirklich aus?«, stieß sie hervor.
»Wie siehst du in Wirklichkeit aus?«, konterte Matan Addaru Dannoer mit einem sanften Lächeln.
Aber erst nach einem winzigen Zögern, das Cheung nicht entgangen war.
Ertappt, dachte sie.
*
Das Ansinnen des Atopen, ihm für seine Suche nach Schöffen die öffentlichen Informationskanäle zur Verfügung zu stellen, lehnte sie rundheraus ab.
Sie gab die Unnachgiebige und war sich bewusst, das auch in Richtung Publikum zu zeigen. Schließlich konnte sie davon ausgehen, dass buchstäblich Tausende Kameras auf sie gerichtet waren – mikroskopisch kleine Geräte, die in zwei oder drei Kilometern Entfernung durch die Luft drifteten, genauso wie aufwendige Optiken, die aus dem Orbit auf sie gerichtet waren.
Auch auf Maharani würde man live zusehen. Die Analysten von Resident Joschannan würden jedes Wort, jede Betonung des Richters auswerten.
Cai Cheung wusste um die Spannungen zwischen dem Kabinett und einer Fraktion der Raumflottenadmiralität, und sie wusste um die Spannungen im Kabinett der Ligaregierung selbst: Tristan Boka, der Residenz-Minister für Verteidigung, riet zur Zurückhaltung; er hatte Jale Castellanos auf seiner Seite, die Residenz-Ministerin für die Koordination mit dem Galaktikum.
Der Residenz-Minister für die Außenpolitik dagegen, Sharma Lushan, hatte sich, wie Joschannan ihr zugetragen hatte, für begrenzte Militärschläge gegen die Onryonen ausgesprochen. Er hatte zweifellos Oberst Girma Teshale auf seiner Seite oder Leute wie Tont Kytubashe, den einflussreichen Kommandanten der schlagkräftigen Raumflotte, die der Bund Freies Ertrus unterhielt.
Cheung teilte die Befürchtungen von Boka und Castellanos, dass die Streitkräfte des Atopischen Tribunals die Liga zu solchen Aktionen verlocken wollte. »... um uns geradewegs ins offene Messer laufen zu lassen«, hatte Joschannan gesagt. »Glaub mir, dieses Messer steht bereit. Wir können es nur noch nicht in seiner ganzen Länge und Schärfe sehen.«
Wann würde Joschannan dem Druck Lushans, der Flotte und breiter Teile der Bevölkerung nachgeben müssen?
Sie seufzte. Sie war mehr als froh, nicht in der Haut des Residenten zu stecken.
Ihr Abschied vom Atopen war schroff. »Ich gehe jetzt«, sagte sie. Sie bückte sich wie selbstverständlich und versuchte, einige der nachtblauen Körner aufzulesen.
Sie waren zu schwer.
»Lass sie von einem Roboter abholen oder nimm sie mit einem Traktorstrahl auf«, riet der Atope gutmütig. »Ich habe keine Geheimnisse.«
»Das werde ich tun«, sagte sie. »Sie liegen auf terranischem Boden. Nach unserem Recht sind sie unser Eigentum.«
»Oh«, sagte er, »ich erhebe keinen Anspruch auf diese Transkremente. Ich bitte dich aber, im Gegenzug keinen weiteren Anspruch auf meine tefrodischen Erfüllungsgehilfen zu erheben. Das freie Geleit für Kik Dentan Malys Schiff war bereits gewährt. Warum wird es noch auf Terra festgehalten?«
»Einwände des Innenministeriums. Sie haben Straftaten auf unserem Territorium ...«
»Die Milchstraße«, unterbrach der Richter sie kaum hörbar, aber sehr bestimmt, »ist zurzeit einzig Rechtsterritorium des Atopischen Tribunals. Bist du willens – und ist der verehrte Joschannan willens –, Menschenleben aufs Spiel zu setzen einiger Tefroder wegen?«
Cheung dachte kurz nach. »Freies Geleit für die überlebenden Tefroder«, entschied sie dann.
»Ferner«, sagte Matan, »bitte ich darum, dass ihr einem Schiff – einem einzigen, unbewaffneten Onryonenschiff – gestattet, euren Stern zu erforschen und seine besondere Struktur: sein Siegel und den Korpus der toten Superintelligenz.«
»Niemals.«
»Solare Premier: ein einziges Schiff, das nur passiv ortet und misst, Daten sammelt und auswertet. Das ferner sämtliches Datenmaterial offen mit euch teilt. Das, wenn du willst, voll und ganz unter der polizeilichen oder militärischen Kontrolle deines Staates steht. Lass mich dich bitte nicht drängen.«
Mit Onryonenverbänden und Linearraumtorpedos, ergänzte sie in Gedanken, beherrschte sich aber. »Ich werde
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