278 - Der Gott der Mar'osianer
aber er konnte sie nur schlecht verstehen. Es schien ihm, als wäre im Stein ein Geist gefangen, der gerade in diesem Augenblick endgültig erwachte.
Quesra'nol zog die Hand zurück und Sar'kir ließ es zu. Sie ergriff das Messer und säbelte ein weiteres Stück der Ummantelung heraus. »Mutter will, dass ich sie berühre«, murmelte sie abwesend.
Quesra'nol bemerkte, wie unsicher und verstört die Wachen wirkten. Noch immer strahlte der Stein hell und Sar'kir gab keine Befehle. Offensichtlich überforderte das die Mar'osianer. Einige steckten die Köpfe zusammen und klackerten leise miteinander.
Quesra'nol sah neugierig auf den Stein. »Was ist das?«
Sar'kir antwortete nicht. Ihre Augen glänzten fiebrig. Ein Brocken der Ummantelung trieb zu Boden. Ein Teil des Steins lag frei. Sie streckte gierig die Hand aus.
»Mutter«, flüsterte sie. Ihre Finger berührten den Stein. Sie stieß den Zeigefinger in das entstandene Loch.
Im selben Moment veränderte sie sich. Sie röchelte und klackte, griff sich an den Hals. Ihre Augen quollen weit hervor. Die Schuppenhaut veränderte sich.
Quesra'nol wich zurück. Die Wachen kamen näher.
»Sar'kir, Herrin…«, brachte der Hydrit mit der Zahnlücke hervor, der Quesra'nol in den Saal gebracht hatte.
Vor seinen Augen verwandelte sich Sar'kir… in Stein! Es war ganz und gar unmöglich, aber es geschah. Gleichzeitig spürte Quesra'nol eine Präsenz, die gierig nach ihm griff.
Komm her , sagte eine Stimme, und Quesra'nol schwamm näher. Berühre mich nicht, sonst wirst du versteinern wie die andere.
»Was bist du?«, klickte er flüsternd. Sein Geist verwirrte sich. War er noch in Gefangenschaft? Halluzinierte er? Warum konnte er diese Stimme in seinem Kopf hören?
»Sie ist tot«, klackte ein Wachhydrit. »Sar'kir ist tot!« Er zog einen Blitzstrahler hervor und richtete ihn auf Quesra'nol.
»Wartet!« Er wollte sich wehren. Er konnte nichts für den Tod Sar'kirs und verstand ihn auch nicht. Fieberhaft suchte er nach den richtigen Worten, doch sein Geist verhüllte sich und er fand die Sprache nicht. Da hörte er wieder die fremde Stimme.
Sprich laut zu ihnen. Sag ihnen, was ich dir sagen werde.
Er hatte keine andere Wahl, als der Stimme zu gehorchen, wenn er überleben wollte. Sie sprach in ihm und durch ihn.
»Zurück!«, klackte er den Mar'osianern zu. »Ich bin Quesra'nol, ein Gott.«
Der Stein leuchtete heller und die Wachen wichen tatsächlich zurück. »Hast du Sar'kir versteinert?«, fragte der mit der Zahnlücke.
»Ja«, wiederholte Quesra'nol, was der Stein in seine Gedanken flüsterte. »Sar'kir wusste, dass ich ein Gott bin, doch sie glaubte mich durch eine Gefangenschaft brechen zu können. Ich musste ihr eine Lektion erteilen.«
»Du hast sie getötet«, versetzte der Mar'os-Jünger grimmig. »Du musst sterben!«
»Es gilt das Recht des Stärkeren«, sprach die Stimme durch Quesra'nol. »Das war Sar'kirs Lehre. Du weißt es!«
Die Wachen schienen nicht überzeugt. »Was für eine Art Gott bist du?«, fragte der kleinere Krieger.
»Ich bin der Gott des Steins. Ich kann euch Reichtum und Macht schenken. Sar'kir ist tot und ich werde ihren Platz einnehmen. Wisset, dass ich all jene versteinern werde, die sich mir in den Weg stellen.«
Einen Moment herrschte Schweigen. Die Blicke der Wachen lagen auf Sar'kir. Gleichzeitig spürte Quesra'nol, dass das Wesen im Stein die Wachen mit neu gewonnener Macht beeinflusste. Er wusste nicht, wie es geschah, aber er spürte deutlich, dass sich die innere Haltung der Wachen veränderte. Sie begannen seinen Worten Glauben zu schenken.
Der Hydrit mit der Zahnlücke sank auf die Knie. »Sei uns willkommen, Gott des Steins.«
Die anderen Wachen folgten seinem Beispiel. Ihre ängstlichen Blicke lagen auf ihrer versteinerten Anführerin. Quesra'nol hörte sie leise reden.
»Er ist bestimmt Dry'tor, oder ein anderer mächtiger Geistwanderer. Manchmal werden sie verrückt und halten sich für Götter.«
»Er kann Hydriten in Stein verwandeln«, klackte ein anderer.
Quesra'nol verstand nicht, wie ihm geschah. Plötzlich lagen alle Mar'osianer vor ihm im Sand der Halle. Das Wesen schien zufrieden. Quesra'nol begriff, dass es im Stein lebte. Er wusste nicht warum, aber es hatte Macht über ihn. Wie konnte es sein, dass dieses fremdartige Geschöpf ihn geistig unterwerfen konnte? Hatte der Tod von Sar'kir es stärker gemacht?
Was willst du von mir? , dachte er benommen.
Du wirst meine Augen und meine Ohren sein. Du
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