2892 - Der Tod kommt nie zu spät
ich unseren niederländischen Kollegen verstehen, wenn er die Ermittlung auf seine Art führen wollte. Nicht anders hätten Phil oder ich in New York reagiert.
»Dann müssen wir eben selbstständig den Spuren nachgehen«, erwiderte Phil.
***
Als der Mann die Schlagzeilen in der Zeitung studiert hatte, setzte sich ein zufriedener Ausdruck in seinem Gesicht fest.
»Der erste Schritt wäre getan«, murmelte er.
Der Geschäftsmann erhob sich und trat an die Fensterscheibe, um hinaus auf die Gracht zu schauen. Den Haag ließ sich in dieser Hinsicht zwar nicht mit Amsterdam vergleichen, aber die vielen kleinen Wasserläufe in der Stadt bescherten ihr trotzdem eine besondere Atmosphäre. Während der Mann rein äußerlich die Umgebung vor dem Fenster zu betrachten schien, wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit und fanden dort den üblichen Schmerz.
»Rache soll man kalt genießen«, sagte er halblaut.
Es hatte den Anschein, als müsse er sich selbst daran erinnern. Nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr wandte der Mann sich zurück an seinen Schreibtisch und nahm die Fernbedienung für das Fernsehgerät.
»Dann wollen wir doch einmal hören, zu welchen Trugschlüssen unsere ach so geschätzten Experten gekommen sind«, spottete der Geschäftsmann.
Er wählte einen der bekannten Nachrichtenkanäle aus und verfolgte eine Sondersendung, die sich mit dem Anschlag vom Vorabend beschäftigte.
»Das habe ich mir doch gedacht«, triumphierte der Geschäftsmann.
Er hatte seine Pläne sehr strategisch angelegt, so wie er es aus der Geschäftswelt gewohnt war. Daher war er mit der Verwirrung der Öffentlichkeit in Bezug auf den Hintergrund des Anschlags sehr zufrieden. Man würde noch früh genug auf den wahren Hintergrund stoßen, doch dann wäre seine Rache bereits vollzogen. Nach wenigen Minuten schaltete er das Fernsehgerät wieder aus, da er die mit wichtiger Stimme vorgetragenen Argumente nur noch belächeln konnte. Er empfand es fast als zu leicht, die Behörden und die gesamte niederländische Öffentlichkeit dermaßen irreführen zu können.
»Und wenn der nächste Schlag erfolgt, werdet ihr noch weniger verstehen«, sagte der Geschäftsmann.
Dieser Gedanke führte ihn dazu, diesen weiteren Anschlag vorzubereiten. Schon bald würden die Stimmen in den Medien ein neues Thema haben, ohne etwas von seiner Manipulation zu bemerken.
***
Nach dem Gespräch mit der Bedienung im Restaurant fuhren Phil und ich zurück ins Hauptquartier von Europol. Dort suchten wir Kommissar de Jong auf und konfrontierten ihn mit den Aussagen der Kellnerin.
»Ich warne Sie, Agent Cotton. Sie haben eindeutige Anweisungen missachtet und illegale Ermittlungen angestellt. Ab sofort beschränken Sie sich bitte auf Ihre Rolle als Beobachter!«, sagte der Kommissar.
Der niederländische Kollege setzte weiterhin ausschließlich auf die mögliche Verbindung zu dem Geldfälscherring, obwohl es dafür keine eindeutigen Hinweise gab. Langsam machte mich seine ignorante Haltung ausgesprochen wütend.
»Bei dem Anschlag wurde auch ein Amerikaner schwer verletzt. Wir werden uns nicht darauf beschränken, Ihnen bei der Arbeit zuzusehen. Vor allem dann nicht, wenn Ihr Vorgehen dermaßen einseitig ist«, erwiderte ich.
Wir führten ein kurzes, heftiges Wortgefecht, bei dem der Niederländer sich jedoch als sturer Mensch erwies. Kommissar de Jong zeigte keinerlei Anzeichen dafür, dass er auf unsere Ermittlungsergebnisse eingehen wollte. Stattdessen wiederholte er seine Warnung, wonach wir uns unbedingt als neutrale Beobachter verhalten sollten.
»Er steht enorm unter Druck«, sagte Phil.
Obwohl ich es genauso sah und auch durchaus Verständnis aufbrachte, sperrte ich mich gegen die mir aufgezwungene Rolle eines Beobachters. Ich suchte mir eine ruhige Ecke in dem großen Gebäude und holte mein Mobiltelefon aus der Jacke, um Mr High über die aktuelle Lage zu informieren.
»Dann haben Sie noch nicht gehört, dass Steve mittlerweile wieder zu sich gekommen ist?«, fragte der Chef.
Das waren gute Nachrichten, und so sah ich eine neue Möglichkeit, wie Phil und ich die Ermittlungen möglicherweise doch noch weiter vorantreiben konnten.
»Wir werden Steve sofort aufsuchen und mit ihm reden. Vielleicht kann er uns doch noch den einen oder anderen Hinweis liefern, der uns weiterbringt. Gleichzeitig könnte einer der Kollegen im Field Office mehr über den Killer mit dem fehlenden Finger in Erfahrung bringen«, sagte ich.
Mr High wollte
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