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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ja, das ist der richtige Ausdruck für das, was ich bezeichnen will, denn ich war bei dieser Sache der wahrhaft Leidende, nicht aber der Tätige. Meine einzige Aktivität bestand im Kauen, im immerwährenden Verschlingen des Fleisches und der säuerlichen Merissah, welche mir fast buchstäblich immer und immer wieder eingezwungen wurde. O Allah, wieviel so ein Neger zu essen und zu trinken vermag! Und da er wohl weiß, daß der Weiße hoch über ihm steht, so erwartet er von diesem unbedingt eine ebenso überlegene Magenweite und Verdauungsfähigkeit. Ich mußte aus Höflichkeit bis an die fernste Grenze meines Leistungsvermögens gehen und hatte infolgedessen, als ich mich nach Mitternacht vor dem Dorf ins Gras niederstreckte, das Gefühl, daß ich im Leben niemals wieder zu essen brauchen werde. Ich fiel trotz des Lärms, welcher noch im Dorf herrschte, sofort in tiefen Schlaf und erwachte aus demselben erst dann, als die Sonne so hoch stand, daß ihre stechenden Strahlen mich weckten. Als ich durch die Umzäunungen das Dorf betrat, sah ich – die Neger und auch unsere Asaker schon wieder beim Essen sitzen. Der Leistungsfähigste von ihnen schien mein langer Selim zu sein, denn als er mich erblickte, rief er mir zu:
    „Effendi, wie schön ist's hier! Hier bleibe ich für alle meine Tage. Ich habe gar nicht geschlafen, sondern immerfort gegessen und erzählt. Und diese lieben, guten Leute, welchen Allah tausend Jahre schenken möge, haben auch fortwährend gegessen und mir zugehört. Setz dich her zu uns, und iß. Ich habe hier ein Rippenstück, dessen Saftigkeit alle Genüsse der Erde überstrahlt.“
    Er hielt mir das Stück mit beiden Händen entgegen und drückte es, um mir die Wahrheit seiner Worte zu beweisen, so, daß der Saft ihm von den Fingern tropfte. Ich dankte natürlich und ging weiter, um den Raïs Effendina aufzusuchen, welcher in der uns zugewiesenen Hütte saß und den Häuptling der Gohk als lieben Besuch vor sich hocken hatte. Soll ich verraten, was der letztere tat? Er aß! Als ich eintrat, hatte er eben einen Wirbelknochen, von welchem er mit seinem elfenbeinernen Gebiß das Fleisch abschabte, vor dem Mund. Bei beiden, doch in der ehrerbietigen Entfernung von einigen Schritten, standen zwei junge Neger, welche zu meinem Erstaunen – nicht aßen, obgleich der Häuptling soviel Braten vor sich liegen hatte, daß zehn Männer meiner Konstitution sich damit vollständig hätten sättigen können. Der Emir deutete, nachdem ich ihn begrüßt hatte, auf diese beiden und sagte:
    „Diese Jünglinge werden uns von großem Nutzen sein. Sie stammen aus diesem Dorf und kehren gerade jetzt von einem zweijährigen Aufenthalt drüben in Hasab Allaba am Gazellenfluß zurück. Sie sind als Asaker dort gewesen und haben das Arabische soweit gelernt, daß sie uns als Dolmetscher dienen können.“
    Diese Mitteilung erfreute mich, da es mir nun möglich war, mich freier zu bewegen. Ich bat den Häuptling, mir einen dieser Dolmetscher zur unausgesetzten Hilfe zuzuweisen, was er auch sofort tat. Dann erklärte ich dem Raïs Effendina, daß und warum es nötig sei, schon heute einen Ritt zu unternehmen, um die südöstliche Gegend kennenzulernen, und fragte ihn, ob er mich begleiten wolle. Er lehnte ab. Wie ich später wohl bemerkte, geschah dies aus einer Art von Eifersucht. Er fühlte sich dadurch zurückgesetzt, daß gestern nicht ihm, sondern mir der Befehl über die Krieger der Gohk übertragen worden war. Verletztes Ehrgefühl kann leicht die beste Freundschaft in das Gegenteil verwandeln.
    Nur der Dolmetscher und mein treuer Ben Nil sollten mich auf dem erwähnten Ritt begleiten. Der Brillenjüngling wollte mit; ich gestattete es ihm nicht. Auch Selim meldete sich. Er hatte soviel gegessen, daß er nicht gerade stehen, viel weniger noch auf einem Ochsen reiten konnte. Davon auch abgesehen, hätte ich ihn nicht mitgenommen, denn dieser Unglücksvogel wäre mir noch hinderlicher als jeder andere gewesen und hätte mich durch seine Dummheiten nur in Schaden bringen können.
    Mein junger Dolmetscher war ein sehr brauchbarer Mann. Er sprach zwar nur das sogenannte Bahr-Arabisch, doch verstanden wir uns leidlich, da ich mich bemühte, meine Ausdrücke demselben anzubequemen. Vor allen Dingen war ihm die Gegend, um welche es sich handelte, genau bekannt. Er war früher mit seinem Vater einige Male drüben in Aguda, von woher wir Ibn Asl erwarteten, gewesen und konnte meine Fragen zur Zufriedenheit beantworten.

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